1854 Österreichs Neigung zum Bunde mit den Westmächten. 179
der erhabene Schirmherr der Legitimität jetzt selbst die Re-
volution entfesseln wolle. Dieses Erstaunen war freilich
grundlos, da der Zar nicht nur der Imperator, sondern
auch der Pontifex Maximus Rußlands war, und folglich
ihm, wie zu andern Zeiten dem Propheten Muhammed und
den römischen Päpsten, ein Aufstand rechtgläubiger Unter-
thanen gegen eine ungläubige Obrigkeit als ein völlig legitimcs
Werk erschien. Sei dem, wie ihm wolle, Graf Buol war
der Meinung, diese Gefahren im Keime zu ersticken, und
schlimmstes Falls auch den offenen Bruch mit Rußland nicht
zu scheuen. Der Muth zu einer solchen Politik wuchs in
ihm, je näher die Westmächte an den bewaffneten Kampf
herantraten, und hier sich also ein mächtiger Rückhalt für
entsprechende Schritte Osterreichs zeigte. Ging Alles gut, so
konnte daraus für Osterreich die Erwerbung der Donau-
fürstenthümer oder doch eines Protectorats über dieselben
anstatt des russischen hervorgehen. Allerdings verbarg er
sich nicht Osterreichs innere finanzielle und politische Schwierig-
keiten, und hatte deshalb den dringenden Wunsch, für den
Kriegsfall sich außer den weit entfernten Westmächten auch
den Beistand des nahen Preußen und Deutschland zu sichern.
Schon am 8. Januar hatte er deshalb in Berlin den Vorschlag
eines Bundesvertrags gemacht, welcher mit der Erklärung
gemeinsamer Neutralität begann, und mit dem Vorbehalte
freier Action zum Schutze aller eigenen Interessen endigte.
Damals hatte Preußen erwidert, da man thatsächlich überall
einig und von niemand bedroht sei, bedürfe es keiner formell
bindenden Urkunde. Trotzdem aber stieg in Wien, je weiter
Rußland seine militärischen Operationen an der Donau aus-
dehnte, der Unwille gegen den moskowitischen Übermuth;
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