Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

1855 Drouyn's Gespräch mit Kaiser Franz Joseph. 229 
den letzten Tagen Frankreich für die Fürstenthümer und die 
Donauschifffahrt, also für die Punkte eingetreten sei, die 
hauptsächlich Osterreich interessirten; er sprach die Hoffnung 
aus, Osterreich werde jetzt bei dem dritten Punkte, an welchem 
den Seemächten Alles gelegen sei, mit gleichem Nachdruck 
verfahren. Er verbreitete sich dann weiter über die allgemeinen 
Vortheile einer engen Verbindung Frankreichs und Osterreichs. 
„Den Zusammenhalt seiner Kronländer befestigen, sagte er, 
die hohe Stellung in Deutschland gegen einen gefährlichen 
Nebenbuhler behaupten, den Übergriffen Rußlands an der 
Donau Einhalt gebieten, die Anarchie und den Socialismus 
erdrücken, das innere Gedeihen des Reiches befördern, das 
sind doch die Ziele der österreichischen Politik. Nun, 
welcher Bundesgenosse könnte mehr als Frankreich zu ihrer 
Erreichung beitragen? Die große Aufgabe ist Zügelung 
der Revolution ohne Hülfe Rußlands, und Zügelung Ruß- 
lands ohne Hülfe der Revolution. Dreißig Jahre lang war 
die Aufgabe unlösbar, und die Folge waren die gleichzeitigen 
Triumphe Rußlands und der Revolution. Heute ist in der 
Allianz Osterreichs und Frankreichs die Lösung gegeben. Was 
mich nach Wien geführt hat, ist viel weniger der Wunsch, 
mit Rußland Frieden zu schließen, als die Allianz mit Oster— 
reich zu befestigen und zu befruchten. In den Augen der 
wahren Politik ist die orientalische Frage im Vergleiche hiemit 
bei aller ihrer Wichtigkeit nur ein Gegenstand zweites Ranges.“ 
Der Kaiser erwiderte darauf mit einigen allgemeinen 
Sätzen, fand aber das System der Neutralisirung unannehm- 
bar für Rußland, und erklärte sich also für das System der 
Beschränkung. Noch trug der französische Minister vor, der 
durch Graf Crenneville nach Paris überbrachte Feldzugsplan
	        
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