1856 Parteistellung der europäischen Mächte. 241
wiesen, darunter die specielle Feststellung der neuen russisch-
walachischen Grenzlinie, und die innern Verhältnisse der beiden
Donaufürstenthümer. In der erstern Frage erhob Rußland
Anspruch auf die Stadt Bolgrad und die Schlangeninsel, und
fand Unterstützung bei Preußen und Frankreich, zähen Wider-
spruch aber bei Osterreich und England. Noch schärfer traten
sich die Parteien gegenüber, als Rußland, Preußen und Frank-
reich das schon auf dem Congresse angemeldete Verlangen der
Union der beiden Fürstenthümer wiederholten. Dagegen legten
England und Osterreich leidenschaftliche Verwahrung ein, und
namentlich Preußen fand Veranlassung, sich über den Ton
und die Mittel ihrer Polemik zu beschweren. Man beklagte
das hochmüthige Auftreten Englands, wo leider keine Aus-
sicht anf Besserung zu hoffen sei, „so lange Palmerston's
Gehässigkeit und Clarendon's Verblendung dort maaßgebend
blieben.“ Und nicht minder empfand man die in Wien beliebte
Haltung. Osterreichs Verfahren gegen uns, schrieb Manteuffel
dem Gesandten in Wien, ist rückhaltvoll und rücksichtslos.
In der That benahm sich Graf Buol hier nach derselben
Gesinnung, mit welcher er einst während des Verlaufs des
Kriegs dem württembergischen Gesandten gesagt hatte, Württem-
berg müsse lernen, daß Osterreich allein in ganz Deutschland
eine selbständige Politik zu treiben habe. Er erhob in Berlin
Beschwerde über den preußischen Commissar, daß er sich er-
laube, mit dem französischen gegen den deutschen Alliirten seiner
Regierung zusammenzuhalten, und sandte dem Bundespräsidial-
gesandten, Grafen Rechberg, Abschrift der dortigen Verhand-
lungen nach Frankfurt, um sie bei den übrigen Bundestags-
gesandten als Beweis der undeutschen Gesinnung Preußens
zu benutzen. Es verstand sich, daß unter solchen Verhaͤltnissen
v. Sybel, Begründung d. deutschen Reiches II.