1856 Die Neuenburger Verwicklung. 247
Muster, zu vorbereitenden Conferenzen der leitenden Minister
aller deutschen Staaten.
Ehe aber irgend etwas zur Einleitung einer solchen
Pflege des deutschen Nationalrechts geschehen konnte, traten
Ereignisse ganz anderer Art ein, die, aus kleinem Ursprung
heranwachsend, ganz Preußen und bald Europa in fieberhafte
Unruhe versetzen.
Wir sahen oben, mit welcher heißen Neigung König
Friedrich Wilhelm an dem Gedanken hing, sein geliebtes
Neuenburg wieder aus den Klauen der schweizer Demokraten
heraus zu reißen. Die Zahl der Einwohner des Ländchens,
welche diesen Wunsch theilten, war nicht klein, da die Königs-
herrschaft in den anderthalb Jahrhunderten ihrer Dauer immer
milde und wohlthätig gewesen, und sich jeder Störung der
altgewohnten Zustände und Einrichtungen enthalten hatte.
Es sah 1847 in Neuenburg nicht viel anders aus als 1747:
auf dem Lande ein herrschender Einfluß der großen Adels-
geschlechter, in den Städten das Regiment der alteingesessenen
Bürgerschaften, an dem kein neuer Einwanderer Antheil er-
hielt, im Ganzen ein behagliches Stillleben in leidlichem
Wohlstand und reger Kirchlichkeit. Darüber hatte sich dann
1848 der Strom der revolutionären Demokratie ergossen,
hatte alle Standesunterschiede beseitigt, Municipalitäten aus
allgemeinem Stimmrecht eingesetzt, jedem Schweizer nach
zweijährigem Aufenthalt cantonales Bürgerrecht verliehen,
so daß 1856 beinahe die Hälfte der Bevölkerung aus
solchen Zugezogenen bestand. Es konnte nicht fehlen, daß
eine so gründliche Umwälzung die Gefühle und die In-
teressen bei einer Menge der alten Einwohner tief verletzte,
und namentlich die Edelleute dringende Bitten um Erlösung