1857 Pflichttreue und Güte des Prinzen. 293
ziehung Mensch, und unterzieht sich jeder menschlichen Pflicht.
Er hat nie in seinem Leben jemand Unrecht gethan, nie das
Gefühl eines Andern verletzt, nie sich einer Härte schuldig
gemacht. Er ist einer jener Menschen, deren gütiges Naturell
die Herzen gewinnt, der sich fort und fort mit dem Wohle
seiner Umgebung und seiner Unterthanen beschäftigt, geschmückt
mit allen hohen Eigenschaften eines Fürsten, und mit allen
Tugenden eines Menschen. Es ist unmöglich, sich einen
schönern und wohlthuendern Typus eines Edelmanns zu
denken.“
Niemand wird König Wilhelm eine Geistesmacht, wie
jene Friedrich's oder Napoleon's zuschreiben. Die Signatur
seines Wesens war Fleiß und Pflichttreue, Milde und Be-
ständigkeit. So viel sein Erfolg den Gedanken seiner Paladine
verdankt hat, niemals kann das Verdienst dieser Männer das
seinige beeinträchtigen. Neidlos sah er auf ihren Ruhm, weil
er wußte, daß es auch der seine war. Denn er hatte sie
auf die wirksame Stelle berufen, ihnen die hohen Zwecke
gesetzt, sie gegen alle Widersacher aufrecht erhalten, ihre Ent-
würfe durch sein Königswort zur Verwirklichung geführt.
Wie auch die Geschlechter der Menschen kommen und gehen,
immer wird sein Andenken die Herzen seines Volkes erwärmen;
mit stiller Sehnsucht werden unsere Enkel auf den guten
Kaiser Wilhelm zurückblicken, der so Großes vollbringen
konnte, weil er so gut war.
Die Aufgabe, welche 1857 dem Prinzen zufiel, die Re-
gierung nach den Intentionen seines Bruders zu führen, war
weder leicht noch erfreulich. Da seine eigenen Intentionen
vielfach andere Richtung hatten, so gehörte eine große Selbst-