1859
4. Capitel.
Streit über die Heeresreform in Preußen.
Je begeisterter der Jubel, je übertriebener die Erwar-
tungen gewesen waren, mit welcher die große Mehrheit des
preußischen Volkes die neue Regierung aufgenommen hatte,
desto schneller stellte sich Abkühlung und Ernüchterung ein,
als zwar die groben Mißbräuche des vorigen Systems, die
polizeiliche Willkür, die Umdeutung der Gesetze, die kirchliche
Verfolgungslust, verschwanden, sonst aber Alles ruhig im alten
Geleise blieb, und ein paradiesischer Zustand unerhörter Frei-
heit und Glückseligkeit sich nicht zeigen wollte. Auch traten
bald einzelne Begehren hervor, deren Nichterfüllung heftige
Klagen veranlaßte. Man ärgerte sich, daß der neue Minister
des Innern, Graf Schwerin, es für liberaler erklärte, feudal-
gesinnte Präsidenten, so lange sie nichts Gesetzwidriges trieben,
im Amte zu lassen, als alle einflußreichen Stellen, wie es
Herr von Westphalen gethan, nur mit Parteigenossen zu be-
setzen. Als das Herrenhaus zwei liberale, von der Regierung
vorgelegte, von den Abgeordneten mit Beifall angenommene
Gesetze, über Einführung der Civilehe und Ausgleichung der
Grundsteuer, energisch zurückwies: da zürnte das Publicum,