1860 Bedenkliches Provisorium. 389
Der Prinz-Regent, der am 23. Mai 1860 die Session
schloß, beklagte die Beanstandung der Gesetzvorlage über die
Wehrpflicht; die dadurch herbeigeführte Verzögerung, sagte
er, hätte bedenklich werden können, wenn der Landtag nicht
die Mittel zu der nöthigen Steigerung der vaterländischen
Wehrkraft gewährt hätte; er sehe darin ein Pfand, daß die
Nothwendigkeit der Heeresreform endlich richtig gewürdigt,
und die Lösung der zurückgestellten Frage in kürzester Frist
gelingen werde.
Diese Worte lassen keine andere Auslegung zu, als daß
der Regent in der Creditbewilligung die factische Zustimmung
zu der Heeresreform erblickte, und von der nächsten Session
die definitive Genehmigung der Kosten erwartete. Er hielt sich
dabei offenbar an den Wortlaut der jetzt angenommenen Vor-
lage, worin die Regierung die Geldmittel nicht bloß für die
augenblickliche Kriegsbereitschaft, sondern auch für die erhöhte
Streitbarkeit, d. h. die neue Organisation des Heeres, ge-
fordert hatte. Die Opposition aber blieb unerbittlich bei
Patow's erster Erklärung stehen, nach welcher jedes Stück
der neuen, durchaus provisorischen Einrichtungen durch ihren
Widerspruch im nächsten Jahre wieder beseitigt werden könnte.
Diese Verschiedenheit der beiderseitigen Auffassungen, oder wenn
man will, diese Doppeldeutigkeit des Provisoriums, wurde die
Quelle alles folgenden Unheils. Denn je überzeugter jeder Theil
von der Richtigkeit seiner Ansicht war, desto geneigter wurde er,
an dem guten Glauben des andern zu zweifeln und bei diesem
eine planmäßige Täuschung vorauszusetzen. Damit aber ver-
schwand jede Möglichkeit eines gutwilligen Übereinkommens.
Der Prinz-Regent verfügte im Juli 1860 nach der Voll-
endung der neuen Formationen die Eintheilung derselben in