1862 Paraphirung des Vertrags in Berlin. 443
vernichte jede Begünstigung Osterreichs, indem er Frankreich alle
Rechte der meistbegünstigten Nation einräume, und überhaupt
die deutschen Zollsätze so niedrig stelle, daß Osterreich sie für
sich nicht annehmen könne, ohne seine eigene Industrie durch
die Überfluthung mit fremden Waaren dem Verderben Preis
zu geben. Demnach müsse Osterreich in dem Vertrag vom
29. März eine Störung und Hintansetzung des Vertrags
von 1853 erblicken.
Die Entgegnung ließ sich nicht lange erwarten. Sie
kam, zu neuer Überraschung des deutschen Publicums, von
doppelter Seite, nicht bloß von Preußen, sondern auch von
dessen schärfstem politischem Gegner, dem Königreich Sachsen,
wo die Sorge für den Wohlstand des Landes und die Pflege
der hochentwickelten eigenen Industrie wie 1852 alle sonstigen
Bedenken übenvog. Eine sächsische Note vom 27. und eine
preußische vom 28. Mai legten dar, daß in dem Vertrage
von 1853 keiner der Contrahenten auf die Freiheit beliebiger
Anderungen seines Tarifs verzichtet habe; der Vertrag ent-
halte ja im Gegentheil Bestimmungen, was in solchem Falle
zu geschehen; jetzt habe sich die fernere Unbrauchbarkeit des
bisherigen Zollvereinstarifs gezeigt: eine Umarbeitung des-
selben im liberalen Sinne sei zur Lebensfrage für die deutsche
Industrie geworden, und wenn Österreich klage, daß eine
gleiche Maaßregel seine Industrie zerstören würde, so sei
damit der Beweis gegeben, daß für eine absehbare Zeit die
große, 1853 besprochene Zolleinigung unausführbar sei; un-
möglich aber dürfe man Deutschland zumuthen, seiner In-
dustrie Fesseln anzulegen, bis Osterreich nachkommen könne.
Darauf genehmigten im Laufe des Juni beide sächsische
Kammern einstimmig den französischen Handelsvertrag, und