454 Verfassungsstreit in Berlin und Frankfurt. 1862
oder tadeln, sie Alle stimmten darin überein, den Satz: keine
Ausgabe ohne Genehmigung des Abgeordnetenhauses, als
den Grund= und Eckstein des Verfassungsstaates anzuerkennen.
So hatte man es nach englischem Vorbild gelernt, seitdem
man in Deutschland constitutionelle Rechte erstrebte; oft genug
hatte man es als schwere Lücke im preußischen Verfassungs-
bau beklagt, daß nicht auch die Einnahmebewilligung ebenso
vollständig in die Hand der Abgeordneten gelegt sei, und
immer hatte die Antwort darauf gelautet, daß die Verfügung
über die Ausgaben für sich allein zur beherrschenden Regelung
des Staatshaushalts vollkommen ausreiche. Und zwar zur
Regelung allein durch das Haus der Abgeordneten, durch die
von den Steuerzahlern gewählten Volksvertreter! Wie in
England, hatte man auch in Preußen die Mitwirkung des
Herrenhauses durch das Verbot specieller Abänderungsvor-
schläge auf die Befugniß, den Etat im Ganzen in der von
den Abgeordneten beschlossenen Gestalt anzunehmen oder ab-
zulehnen, mithin wie in England auf ein leeres Ehrenrecht
beschränkt. Denn die Ablehnung hieße ja den Staat aus
den Fugen heben, und das conservative Oberhaus würde sich
doch nicht mit den revolutionären Steuerverweigerern auf
eine Linie stellen.
So war der unwidersprochene Stand der öffentlichen
Meinung. Auch der Finanzminister von der Heydt hatte
keine andere Auffassung: den Abgeordneten hatte er zugerufen,
bei einer mißbräuchlichen Anwendung ihres Rechtes könnten
sich Dinge ereignen, die in der Verfassung nicht geschrieben
ständen, — mit andern Worten, die zum Staatsstreich führen
könnten; dem Könige aber hatte er seit Wochen erklärt, nach
dem voraussichtlichen Beschlusse des Hauses würde er nicht