Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

1861 Wielopolski und die Radicalen. 487 
Gehorsam wieder herzustellen, und eben damit die feste Grund- 
lage für eine geordnete und liberale Selbstverwaltung Polens, 
unter der Hoheit des russischen Kaisers, aber unabhängig von 
jeder russischen Behörde, zu gewinnen. 
Er sollte besondere Erfahrungen über die Schwierigkeit 
dieser Aufgabe machen. 
Er fand den landwirthschaftlichen Verein und die Land- 
geistlichen in einer so eifrigen nationalen Agitation begriffen, 
daß er, der römische Katholik, gleich am 2. April dem Klerus 
jede Einmischung in politische Händel verbot, und am 5. den 
Verein, wegen bertretung seiner Statuten, auflöste. Wenn 
dies sowohl die Bischöfe als die Magnaten erbitterte, so 
sahen die Rothen von Anfang an in Wielopolski den gefähr- 
lichsten Todfeind ihrer Sache. Sie bedurften für die Vor- 
bereitung ihrer Revolution wachsenden Grimm des Volkes, 
also in den herrschenden Kreisen nicht einsichtige Reform, 
sondern gesteigerte Mißregierung. So beschlossen sie, auf den 
Ukas vom 26. März mit einer verstärkten Wiederholung des 
Tumults vom 27. Februar zu antworten, damit in den 
Augen des Volkes auch die neuen Behörden gleich bei ihrem 
Eintritt als blutdürstige Unterdrücker charakterisirt würden. 
Der Verlauf war dann am 8. April derselbe wie im Februar: 
kirchliche Feier, patriotische Lieder, drohende Menschenmassen 
vor dem Palast des Statthalters. Auf die wiederholte Auf- 
forderung zum Auseinandergehen folgten Steinwürfe auf die 
Truppe, bis diese endlich eine scharfe Salve abgab, und zehn 
Menschen todt auf dem Platze blieben. 
Damit war der Ukas vom 26. März und Wielopolski's 
System in der öffentlichen Meinung Polens gerichtet. Wieder 
hieß es: wir beten, sie morden, und Wielopolski war der
	        
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