1862 Neue Civilverwaltung: Großfürst Constantin und Wielopolski. 491
nach Wielopolski's Sinn erwies. Bald konnte der Marquis
dem Kaiser seinen großen Plan in allen Theilen entwickeln:
Trennung der Militär= und der Civilgewalt; jene bleibt in
der Hand eines russischen Generals mit russischen Truppen;
diese wird einem leitenden, von russischen Behörden unab-
hängigen Minister unterstellt, der neben sich einen Staats-
rath für die Gesetzgebung, und unter sich polnische Beamte,
sowie vom Volk gewählte Bezirks= und Kreisbehörden hat;
mit deren Organisation würde der Belagerungsstand auf-
hören, und auch die katholische Kirche erhebliche Concessionen
empfangen; an die Spitze des Ganzen trete schließlich als
Vertreter der Majestät ein erlauchtes Mitglied der kaiserlichen
Familie. Gortschakoff sagte: der jetzige Zustand ist unhalt-
bar; auf Bajonette kann man sich stützen, aber nicht darauf
sitzen; etwas muß geschehen. Der älteste Bruder des Kaisers,
Großfürst Constantin, sprach sich mit vollem Nachdruck für
Wielopolski's System aus. Der Kaiser blieb lange zweifel-
haft, ob der Schritt jetzt noch die gehoffte versöhnende
Wirkung bei den Polen haben würde, endlich aber wollte
auch er sich dieser letzten Probe nicht versagen. So wurde
in den letzten Tagen des Mai 1862 die Welt, die bisher
nur von russischen Gewaltthaten in Polen gehört hatte, durch
die Ankündigung des neuen Systems überrascht. Großfürst
Constantin wurde zum Statthalter, Wielopolski zum Chef
der Civilverwaltung ernannt; die Leitung des Militärwesens
behielt der seit einigen Monaten fungirende General Lüders.
Wielopolski rechnete dieses Mal in der That auf einige
Dankbarkeit bei seinen Landsleuten. Statt der russischen
Militärdictatur brachte er ihnen eine einheimische, von Ruß-
land unabhängige Civilverwaltung nebst Reformen auf allen