Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

1863 Umschwung in der Stimmung Napoleon's. 561 
unitarischen oder revolutionären Zwecken dienen; sie solle 
starke Befugnisse auf dem föderalen Gebiete, aber zur Ein- 
mischung in innere Landesangelegenheiten weit weniger Ge- 
legenheit als nach der österreichischen Reformacte erhalten. 
Darauf beruhigte sich einstweilen Graf Russell. Noch 
günstiger für das Verhalten Preußens lauteten damals 
die Berichte aus Petersburg und Paris. Fürst Gortscha- 
koff sprach dem preußischen Gesandten die Überzeugung aus, 
daß gegenüber den von Frankreich und der Revolution 
drohenden Gefahren alle Freunde der Ordnung streben 
müßten, daß jegliches Zerwürfniß zwischen Preußen und 
Osterreich vermieden werde. Demnach bedauere er aufrichtigst 
das unüberlegte Vorgehen Osterreichs im Frankfurter Fürsten- 
tage, welches nicht Einigkeit, sondern Uneinigkeit hervorge- 
rufen habe. Rußland habe nicht gesäumt, in Wien die 
Täuschung zu zerstören, daß es der Reformacte seinen Bei- 
fall schenke. 
Vollends in Paris vollzog sich ein gründlicher Umschlag 
in der seit Februar herrschenden Stimmung. Wie wir sahen, 
war Napoleon Anfangs wenig geneigt zu einem diplomatischen 
Feldzug gegen Rußland gewesen; allmählich hatte er sich 
durch Englands Treiben und Osterreichs Zustimmung zu einem 
solchen Vorgehen bestimmen lassen, hatte dann aber auch, 
wenn einmal Rußlands Freundschaft in die Schanze geschlagen 
war, Ernst machen, scharfe Forderungen stellen, sie eintre- 
tendes Falls mit Waffengewalt durchsetzen wollen. Allein 
England war zwar zu den grimmigsten Noten bereit, wollte 
aber von einem Krieg nichts wissen, und Osterreich lehnte 
auch für die Noten jede stärkere Forderung als die sechs 
Punkte ab, und wies alle Kriegspläne noch kräftiger als 
v. Sybel, Begründung des deutschen Reiches. II. 36
	        
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