Full text: Tirpitz, Erinnerungen. Volksausgabe.

8 Aufstieg 
steifen Ladestock verschluckt hatten, die gewünschte Bildung eines eigenen 
schleswig-holsteinischen Kleinstaates stören kamen. Trotz dem Kriegs- 
zustand haben wir uns über Tegetthoffs Seesieg bei Lissa gefreut, fast 
als ob er ein eigener wäre. Die österreichische Flotte hatte 1864 das 
schwere Gefecht bei Helgoland an unserer Seite sehr tapfer geschlagen, 
und Osterreich galt uns noch als deutsches Bruderland; über seine 
Tschechen und Polen sah man in damaliger Zeit hinweg. 
Unser Ansehen im Ausland stieg durch 1866 erheblich. Wir hatten 
vorher einmal in Cadix demütigend empfunden, wie man uns von oben 
herunter ansah und der spanische Offizier uns bei der Werftbesichtigung 
warten ließ. Jetzt kamen 1867 in Marseille die Leute zu uns an Bord 
gestürmt, um die Prussiens zu sehen; in Nizza wurden Zündnadel- 
gewehre in Jahrmarktsbuden gezeigt. Freilich die französischen Offi- 
ziere gaben uns teils durch Hochmut, teils durch schlechtverhehlten 
Arger einen Vorgeschmack von 1870. 
Im Frühjahr 1870 wurde aus vier verschiedenen Schiffen unser erstes 
Panzergeschwader gebildet, auf dessen Flaggschiff „König Wilhelm“ 
ich als Unterleutnant an Bord war. Prinz Adalbert, der darum ge- 
beten hatte, das Geschwader zu führen, war nicht mehr ganz auf der 
Höhe, aber der König gab ihm nach einigem Zögern die Führung so- 
zusagen als Abschiedsfeier, um nach den Azoren zu gehen. Die Aus- 
bildung war auch bei den Panzerschiffen noch durch die Gewohnheiten 
der Segelmarine beeinflußt; wir versuchten auf der Reise sogar zu 
segeln, aber die Biester rührten sich nicht. Die damalige Lage der 
preußischen Marine kennzeichnet sich in dem Umstand, daß wir in 
deutschen Häfen keine Docks für große Schiffe besaßen. Es war bei 
Beschaffung der Schiffe wohl nicht genügend beachtet worden, daß 
man ein eisernes Schiff alle Jahre docken muß, um es zu reinigen. 
Das Geschwader war daher, als der Krieg mit Frankreich zu schwelen 
anfing, mehrere Jahre nicht im Dock gewesen; der „König Wilhelm“ 
batte wie wir später feststellten über 60 Tonnen Mießmuscheln am 
Leibe, die durch Verdickung des Schiffs und Reibung die Schnellig- 
keit von 14 auf 10 Knoten herabgesetzt hatten. Nun zwang uns ein 
Maschinenschaden, Plymouth für eine längere Ausbesserungszeit an- 
zulaufen, und der englische Admiral bot uns das Dock an. Weshalb 
wir es nicht annahmen, ist mir unklar geblieben; man erzählte sich 
damals in der Offiziersmesse, die Schwierigkeit läge in dem Prinzen,
	        
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