Full text: Auswahl für das Feld.

seitdem ist Westpreußen unser nach jedem heiligsten Rechte; denn 
was dort gedeiht von Recht und Wohlstand, von Bildung und 
guter Menschensitte ist deutscher Hände Werk. Und abermals sah 
Königsberg den flüchtigen Hof eines bedrängten Hohenzollern in 
seinen Mauern; und abermals, doch herrlicher als in den Tagen 
des Großen Kurfürsten, erwuchs dem wankenden Staate frische Kraft 
aus der Liebe seines Volkes. Derselbe Königsberger Landtag, 
der vormals oft die Polen zu Hilfe gerufen wider seinen deutschen 
Fürsten, wagte jetzt die erste Tat unseres Freiheitskrieges, und 
das schwarze Kreuz des Landwehrmannes zierten schönere Kränze 
als jene, die einst das schwarze Kreuz des deutschen Herrn ge- 
schmückt. Damals hat das neue Deutschland des Mittelalters dem 
Mutterlande die alte Wohltat dankbar heimgezahlt. 
Als ein Nachklang jener hochaufgeregten Tage begann, geför- 
dert von den Spenden des gesamten Landes, der Wiederaufbau 
der alten Meisterfeste: — ein bedeutsamer Wink für den Historiker, 
der die Herzensgeheimnisse einer Epoche am sichersten aus ihrer 
historischen Sehnsucht errät. Und — wie um den verzweifelten 
Trübsinn Lügen zu strafen, der unserer Zeit die Kraft des Schaf- 
fens abspricht — dem Meisterschlosse gegenüber spannen heute die 
Brücken von Dirschau und Marienburg ihr Joch über den ge- 
zähmten Strom, echte Werke der modernen Welt. Allerdings ein 
neues Leben ist in dieser Grenzerwelt erwacht. Wohl zeigte sich 
zuweilen in dem Blute des schwer lenksamen, herb urteilenden 
Volkes noch ein Tropfen von dem alten Eidechsengifte; doch in 
den Parteikämpfen dieses Jahrhunderts hat der selbstbewußte Ra- 
tionalismus der Altpreußen jederzeit ein notwendiges Gegengewicht 
gebildet gegen die Mächte des Beharrens. Der erste Burggraf 
des neuerstandenen Meisterschlosses war Heinrich Theodor von 
Schön, der liberale Kantianer. 
Dem Preußen ziemt es nicht, sich selbstgefällig an dem Glücke 
der Gegenwart zu weiden. Denn noch sind die Schätze der Pro- 
vinz nicht zur Hälste gehoben; noch ist der Wohlstand, der das 
Land vor dem Tannenberger Tage schmückte, bei weilem nicht 
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