gehorche. Vielmehr, er gehorcht der Mehrheit, und was hindert,
daß diese Mehrheit ebenso tyrannisch verfahre wie ein gewissen—
loser Monarch?
Wenn wir die fieberischen Zuckungen betrachten, welche seit sieb-
zig Jahren die trotz alledem große Nation jenseits des Rheins
geschüttelt haben, so finden wir beschämt, daß die Franzosen trotz
aller Begeisterung für die Freiheit immer nur die Gleichheit ge-
kannt haben, doch nie die Freiheit. Die Gleichheit aber ist ein
inhaltsloser Begriff, sie kann ebensowohl bedeuten: gleiche Knecht-
schaft aller — als: gleiche Freiheit aller. Und sie bedeutet dann
gewiß das erstere, wenn sie von einem Volke als einziges, höch-
stes politisches Gut erstrebt wird. Der höchste denkbare Grad der
Gleichheit, der Kommunismue, ist, weil er die Unterdrückung aller
natürlichen Neigungen voraussetzt, der höchste denkbare Grad der
Knechtschaft. Nicht zufällig, fürwahr, regt sich der leidenschaft-
liche Gleichheitsdrang vornehmlich in jenem Volke, dessen keltisches
Blut immer und immer wieder seine Lust daran findet, sich in
blinder Unterwürfigkeit um eine große Cäsarengestalt zu scharen,
mag diese nun Vercingetorix, Ludwig XIV. oder Napoleon heißen.
Wir Germanen pochen zu trotzig auf das unendliche Recht der
Person, als daß wir die Freiheit finden könnten in dem allge-
meinen Stimmrechte; wir entsinnen uns, daß auch in manchen
geistlichen Orden die Oberen durch das allgemeine Stimmrecht
gewählt werden, und wer in aller Welt hat je die Freiheit in
einem Nonnenkloster gesucht? Der Geist der Freiheit, wahrlich,
ist es nicht, der aus der Verkündigung Lamartines vom Jahre
1848 redet: „Jeder Franzose ist Wähler, also Selbstherrscher; kein
Franzose kann zu dem anderen sagen: du bist mehr ein Herrscher
als ich.“ Welcher Trieb des Menschen wird durch solche Worte
befriedigt? Kein anderer, als der gemeinste von allen, der Neid!
Auch die Begeisterung Rousseaus für das Bürgertum der Alten
hält nicht stand vor ernster Prüfung. Die Bürgerherrlichkeit von
Athen ruhte auf der breiten Unterlage der Sklaverei, der Miß-
achtung jedes wirtschaftlichen Schaffens, während wir Neueren
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