Full text: Auswahl für das Feld.

neu gewonnenen Gebiete dieser von Feinden rings bedrohten geist- 
lichen Brüderschaft durch seine Legaten eine schrankenlose Macht 
zu üben. Im Jahre 1231 setzt der von Salza gesendete Land- 
meister Hermann Balke mit seinem Kreuzheere und sieben Ordens- 
brüdern über die Weichsel, und nun beginnt ein Vorschreiten, 
sicher und stetig, nach festem Plane, einzig in dieser Zeit regel- 
loser Kriegsführung. Kaum ist ein Stück Landes von den Deut- 
schen durchstürmt, so führen deutsche Schiffe Balken und Steine 
die Weichsel herab, und an den äußersten Grenzen des Eroberten 
entstehen jene Burgen, deren strategisch glückliche Lage Kriegs- 
kundige noch heute bewundern — zuerst Thorn, Kulm, Marien- 
werder. Diese vorgeschobenen Posten sind im Kleinen, was das 
Ordensland dem Reiche ist: ein fester Hafendamm, verwegen hin- 
ausgebaut vom deutschen Ufer in die wilde See der östlichen 
Völker. So werden neue Stützpunkte gewonnen für das weitere 
Vordringen, das Auge der Barbaren abgelenkt von dem bereits 
eroberten Lande, und indem man die Preußen zwingt, sich in 
hellen Haufen gegen diese Burgen zu scharen, entgeht der berit- 
tene Deutsche der Gefahr des kleinen Krieges, der in diesem Lande 
der Wälder und Sümpfe unrettbar ins Verderben führen muß. 
Mit jener Unfähigkeit, der Zukunft zu denken, welche den Bar- 
baren bezeichnet, lassen die Preußen das erste fremdartige Be- 
ginnen des Burgenbaues geschehen, bis allmählich das Verständ- 
nis der Lage erwacht, die lange schlummernde Wildheit des Volkes 
furchtbar ausbricht und ein Krieg sich entspinnt von unmensch- 
licher Grausamkeit. Alle Härte unseres eigenen Volksgeistes ent- 
faltet sich hier, wo der Eroberer dem Heiden gegenübertritt mit 
dem dreifachen Stolze des Christen, des Ritters, des Deutschen. 
Die wild feierliche Poesie des hohen Nordens erhöht den roman- 
tischen Reiz dieser Kämpfe. Willkommen ist der Frost, der die 
Straße bahnt durch die unwegsamen Wälder, gefürchtet der weiche 
Winter. Oftmals erhebt sich das Würgen bei grellem Nordlicht- 
schein auf dem Eise der Flüsse und Sümpfe, bis unter der Wucht 
der Streiter die Decke bricht und die Wellen Freund und Feind 
5 H. v Treitschke, Feldausgabe. 65
	        
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