Verfassung des Deutschen Reichs. 49
Artikel 75.
Für diejenigen in Artikel 74 bezeichneten Unternehmun-
gen gegen das Deutsche Reich, welche, wenn gegen einen
der einzelnen Bundesstaaten gerichtet, als Hochverrath oder
Landesverrath zu qualifiziren wären, ist das gemeinschaft-
liche Ober-Appellationsgericht der drei freien und Hanse-
städte in Lübeck die zuständige Spruchbehörde in erster und
letzter Instanz.
Die näheren Bestimmungen über die Zuständigkeit und
das Verfahren des Ober-Appellationsgerichts erfolgen im
Wege der Reichsgesetzgebung. Bis zum Erlasse eines Reichs-
gesetzes bewendet es bei der seitherigen Zuständigkeit der
Gerichte in den einzelnen Bundesstaaten und den auf das
Verfahren dieser Gerichte sich beziehenden Bestimmungen.
Absatz 1. Nach §. 136 des Gerichtsverfassungsgesetzes (vom
27. Januar 1877) ist für Aburtheilung der in Absatz 1 gedach-
ten Angelegenbeiten das Reichsgericht zuständig.
Artikel 76.
Streitigkeiten zwischen verschiedenen Bundesstaaten, so-
fern dieselben nicht privatrechtlicher Natur und daher von
den kompetenten Gerichtsbehörden zu entscheiden sind, wer-
ven auf Aurufen des einen Theils von dem Bundesrathe
erledigt.
Verfassungsstreitigkeiten in solchen Bundesstaaten, in
deren Verfassung nicht eine Behörde zur Entscheidung sol-
cher Streitigkeiten bestimmt ist, hat auf Anrufen eines
Theiles der Bundesrath gütlich auszugleichen oder, wenn
das nicht gelingt, im Wege der Reichsgesetzgebung zur Er-
ledigung zu bringen.
Vergl. Reichsgesetz, betr. die Zustän digkeit des Reichsge-
richts für Streitfragen zwischen dem Senat und der
Bürgerschaft der freien und Hansestadt Hamburg,
vom 14. März 1881.
Artikel 77.
Wenn in einem Bundesstaate der Fall einer Justizver-
weigerung eintritt, und auf gesetzlichen Wegen ausreichende
Hülfe nicht erlangt werden kann, so liegt dem Bundesrathe
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