Full text: Kriegsschäden und Kriegsschadenersatz.

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Kriegsschadenersatz wohl begründen. Es ist anerkanntes Recht, daß jeder 
Staat für den Schaden, den ein Völkerrechtsbruch eines anderen Staates 
entweder dem Staat oder seinen Bürgern zufügt, Ersatz verlangen kann, 
und zwar steht hier außer Zweifel, daß der Heimatsstaat des geschädigten 
Bürgers diese Ersatzansprüche geltend machen kann, ohne eine besondere 
Ermächtigung von diesem nachweisen zu müssen. Die in der Wissenschaft 
des Völkerrechts herrschende Ansicht geht eben dahin, daß ohne weiteres 
zur Erhebung von Ansprüchen auf Grund des Völkerrechts der Staat, aber 
auch nur der Staat berechtigt seit). 
Die wichtigste Quelle für solche Ansprüche des Deutschen Reiches 
gegen die feindlichen Staaten bildet das Haager Abkommen über 
den Landkrieg vom 10. Mai 19072). Im Artikel 3 dieses Abkommens 
ist ausdrücklich die Schadenersatzpflicht für Abertretungen anerkannt. 
Zwei Fragen führen hier zu Bedenken. 
Nach Artikel 2 des Abkommens soll dieses nur dann zur Anwendung 
kommen, wenn die sämtlichen kriegführenden Mächte Vertragsparteien sind. 
Die Türkei, Serbien und Montenegro sind dem Abkommen nicht bei- 
getreten. Gilt es deshalb nicht? Der Krieg, in dem wir stehen, bietet ein 
buntes Bild dar, wie die Weltgeschichte es bisher wohl noch niemals ge- 
zeigt hat. Hier stehen sich nicht nur zwei Parteien gegenüber. Keineswegs 
sind alle Kriegführenden mit allen anderen Beteiligten entweder im 
Bündnis oder im Kampf. So besteht z. B. kein Kriegszustand zwischen 
Deutschland und Italien, so hat z. B. Bulgarien nur Serbien den Krieg 
erklärt, und wenn man alle in Betracht kommenden Kriegserklärungen und 
Bündnisverpflichtungen in Rechnung stellt, so ergibt sich eine Fülle der 
verschiedensten Zusamenstellungen. Wie hat sich Artikel 2 des Haager 
Abkommens mit dieser verwickelten Sachlage abzufinden? Darf man sagen, 
es gelte überhaupt nicht, oder kann man nicht von dem Krieg sprechen, hat 
man ihn vielmehr völkerrechtlich in eine Anzahl von Kriegen zu zerlegen 
und bei jedem einzelnen selbständig zu prüfen, ob die an ihm Beteiligten 
das Haager Abkommen ratifiziert haben oder nicht? Gründe lassen sich 
natürlich für beide Auffassungen ins Feld führen. Ausschlaggebend müßte 
die Richtung sein, in der sich die Entwicklung des Völkerrechts bewegen soll. 
Man wird sich zu der Auffassung bekennen müssen, bei welcher das Völker- 
recht den größeren Wirkungskreis erhält. Dies ist sicher dann der Fall, 
wenn man annimmt, es müsse nach den einzelnen Gruppen der Krieg- 
führung getrennt entschieden werden, denn andernfalls würde man, da 
einzelne der kriegführenden Mächte das Abkommen nicht ratifiziert haben, 
1) S. Anm. auf Seite 78. 
2) RE#Bl. 1910, 107. — Wortlaut im Anhang.
	        
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