Full text: Deutsche Geschichte für Schule und Haus nach den Forderungen der Gegenwart für das Königreich Bayern.

IV. Die Zeit des Verfalls der Kaisermacht. 47 
glaube, Gottlosigkeit und fündhaftes Leben in Deutschland derart über- 
hand genommen hatten, daß alle ernstgesinnten Christen eine Besserung 
der Kirche an Haupt und Gliedern wünschten. 
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46. Die ersten Stadtschulen. 
1. In dem Maße, wie die Städte wuchsen, Handel und Verkehr 
mit entfernten Ländern sich hoben, stellte sich aber auch das Bedürfnis 
heraus, durch Unterricht im Lesen, Schreiben und Rechnen für den 
Beruf befser vorbereitet zu werden. Daher gründeten die Bürger in 
den Städten Schreib= und Rechenschulen für ihre Knaben. Diese 
Stadtschulen hatten mit den heutigen aber nur wenig Ahnlichkeit; sie 
wurden gewöhnlich an den meistbietenden Geistlichen verpachtet, der 
nmun als Rektor der alleinige Herr der Schule war. In irgend 
einem Winkel der Stadt richtete er seine Schule ein und mietete sich 
Gehilfen oder Lokaten, die zu ihm in demfselben Verhältnisse standen, 
wie der Geselle zu seinem Meister. Gefiel es dem Gesellen nicht mehr, 
oder zahlte ihm der Rektor den Lohn nicht, so zog er gleich andern 
wandernden Gesellen von dannen, um sich in einer andern Stadt eine 
ähnliche Stellung zu suchen. Gelernt wurde auch in den Stadtschulen 
nicht viel. « 
2. Unterrichtsweise und Zuchtmittel waren in diesen Schuten roh 
und graufam, und die Rute führte auch hier ein strenges Regiment. 
Ein Schüler erzählt davon: „Ich war acht Jahre alt, da tam ich 
zu einem Schulmeister, wenn der voll Weins war, zog er mich 
schlafend vom Strohsack, nahm mich bei den Füßen und zog mich 
umher, daß mir das Haupt auf der Erde nachschleppte. Danach 
nahm er eine Stange und zwang mich, daß ich hinaufklettern mußte, 
dann ließ er die Stange aus der Hand gehen und mich zu Boden 
fallen. Zuletzt nahm er mich in einen Sack und hing mich zum Fenster 
hinans, daß ich schrie. So wurde ich vierzehn Jahre alt und konnte 
doch nichts.“ Darum sagte ein Mann jener Zeit: „Ehe ich wollte, 
daß die Schulen und Klöster blieben wie bisher, wollte ich eher, daß 
kein Knabe nichts lernte und stumm wäre. Es ist meine ernste Bitte, 
daß diese Teufelsschulen entweder in den Abgrund verfinken oder 
christliche Schulen werden." 
47. Die Herrengerichte. 
1. Als die Fürsten und Herren selbständige Reichs= und Land- 
stände geworden waren, übten sie auch die Gerichtsbarkeit in ihren. 
Gebieten aus und kehrten sich wenig an das kaiserliche Obergericht. 
Schließlich kam es soweit, daß jeder Gutsherr oberster Richter über 
leine hörigen Leute war und der Magistrat der Stadt nicht bloß die 
Verwaltung, sondern auch die Gerichtsbarkeit inne hatte. Hatten die
	        
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