48 IV. Die Zeit des Verfalls der Kaisermacht.
Leute gegen den Herrn selbst zu klagen, so durften sie ihre Klagen
auch nur bei ihm anbringen und sich nicht bei einem höhern Gerichte
über einen harten Urteilsspruch beschweren. Der Gutsherr hatte ge-
wöhnlich einen Vogt, der für ihn die Gerichtsbarkeit versah und nach
Herkommen und Gutdünken richtete.
2. Die Strafen wurden in dieser Zeit vielfältiger und grausamer.
Das Hängen an den Galgen, Enthaupten und Verbrennen, das
Pfählen, Rädern und Vierteilen, auch das Abhauen der Hände und
Füße, Abschneiden der Nase, Ohren und anderer Gliedmaßen wurde
mehr als bisher gebräuchlich. Daneben entstanden zahllose Ehren-
strafen. Als Zeichen der größten Erniedrigung galt bei freien Männern
das Tragen eines Strickes um den bloßen Hals und das Hundetragen.
Verleumder mußten Steine am Halse durch den Ort tragen; schwatz-
hafte Frauen wurden in einen Teich getaucht, und zanksüchtige Weiber
zusammen in die Beißkatze gesteckt. Landfremdes Gesindel wurde von
en Bütteln mit Staupbesen bearbeitet, gebrandmarkt und zum Thore
hinausgetrieben. Besonders entehrend waren Stockschläge und das
Ausstellen am Pranger oder Schandpfahl auf öffentlichem Platze.
Die Städte legten in Rathäusern oder in Mauertürmen Gefängnisse
an, und nun kamen die Haft= oder Freiheitsstrafen auf. Für wider-
spenstige Gefangene war der Fußblock oder Stock aufgestellt, in welchen
die wagereche ausgestreckten Beine und Arme stundenlang eingespannt
wurden.
48. Bie Fehden.
1. Die Gewalthaber suchten damals ihr Recht nicht bei den ordent-
lichen Gerichten, sondern sie übten auf eigene Faust Vergeltung; dabei
stützten sie sich auf das altdeutsche Fehderecht. Jeder Grundherr mußte
darum stets mit einem starken Kriegsgesinde versehen sein, da ihm um
einer geringen Ursache willen die Fehde angesagt werden konnte. Geschah
dies, so dauerte es nicht lange, und ein feindliches Heer lag vor der
Burg, dem Kloster oder der Stadt. Die Belagerer führten Sturmböcke
herbei und versuchten damit die Mauern und Thore einzurennen,
stellten Wurfmaschinen auf, mit denen sie dicke Steine in die Stadt
schleuderten, suchten auf Sturmleitern und Holztürmen die Mauern zu
erklimmen und warfen brennende Pechkränze in die Gebäude. Die
Belagerten standen indes hinter den Zinnen und auf den Türmen
und sandten wohlgezielte Pfeile und Steine in die Reihen der Feinde,
machten listige und kühne Ausfälle und gossen siedendes Ol, Pech oder
heißes Wasser auf die Stürmenden hernieder.
2. Am meisten hatten die Bauern bei den Fehden zu leiden, weil
sie außerhalb der schützenden Mauern wohnten; denn konnten die Feinde
den Belagerten selbst nicht beikommen, so trieben sie den zugehörigen
Bauern das Vieh von Stall und Weide, steckten die Häuser in Brand,
zertraten Gras und Getreide oder mähten es ab und besäten den
Acker mit Unkraut. Der Bauer wurde erschlagen oder gefangen fort-