32 B. Erläuterungen z. Reichs= u. Staatsangehörigkeitsgesetz.
sind wie ein Recht miteinander verbunden“ (Rönne, Verfassungsrecht
des Deutschen Reiches, Leipzig 1872, S. 104). Sie sind aber nur ver-
bunden; denn ihre Wurzeln stammen aus verschiedenen Rechtsgebieten:
die Staatsangehörigkeit gründet sich auf die ausdrückliche oder kraft des
Gesetzes eingetretene Verleihung durch den selbständigen Bundesstaat,
wurzelt also in der Landeshoheit; die mittelbare Reichsangehörigkeit
beruht auf Art. 3 der Reichsverfassung und damit in einem Vertrage
der sämtlichen Bundesstaaten (vgl. Seydel, Kommentar zur Verfassungs-
urkunde für das Deutsche Reich, bei Art. 3). Die Wirkungen der mittel-
baren Reichsangehörigkeit sind zum großen Teil in Art. 3 der Reichs-
verfassung aufgeführt; hierzu treten noch mannigfache Bestimmungen
in verschiedenen Reichsgesetzen, z. B. im § 1 des Reichstagswahlgesetzes,
§ 1 des Freizügigkeitsgesetzes, § 7 des R. u. St Ges., § 17 des Bundes-
gesetzes vom 9. November 1867, betr. die Verpflichtung zum Kriegsdienste,
§ 9 des Reichsstrafgesetzbuchs.
Die unmittelbare Reichsangehörigkeit ist eine neuere Ge-
setzesschöpfung; sie erscheint erstmals in § 6 des Gesetzes vom 15. März
1888 (Röl. S. 73) wegen Abänderung des Gesetzes betr. die Rechts-
verhältnisse der deutschen Schutzgebiete vom 17. April 1886 (RG#Bl. S.7).
An Stelle dieser Bestimmung ist später § 9 des Schutzgebietsgesetzes
vom 10. September 1900 (RBl. S. 815) mit dem gleichen Wortlaute
(adgedruckt oben S. 8) getreten. Der Paragraph ist nunmehr mit Aus-
nahme des Schlußsatzes bezüglich der Doppelbesteuerung ersetzt durch
die §§ 33, 35 und 2 Abs. 2 des R. u. StGes.
Die unmittelbare Reichsangehörigkeit ist ein unvollkommenes Rechts-
gebilde, das in seinen Folgen und Rechtswirkungen zwischen der mittel-
baren Reichsangehörigkeit und der vollen Staatsangehörigkeit steht
und den Eindruck eines Zwischenglieds erweckt in der Entwicklung
der einzelstaatlichen Zugehörigkeit mit der Folge der mittelbaren Reichs-
angehörigkeit zu einer ausschließlichen Reichsangehörigkeit, welche die
ganzen Rechtsgebiete der Staatsangehörigkeit und der mittelbaren
Reichsangehörigkeit umfassen würde. Dermalen stellt sie sich als die
gemeinsame Verleihung einer Staatsangehörigkeit mit beschränkter Rechts-
wirkung durch alle Bundesstaaten dar. Das R. u. Stes. selbst achtet
sie in mehrfacher Hinsicht der Staatsangehörigkeit gleich, indem es in
§ 35 bestimmt, daß auf die unmittelbare Reichsangehörigkeit die Vor-
schriften des Gesetzes über die Staatsangehörigkeit in einem Bundes-
staate entsprechende Anwendung finden mit Ausnahme einiger Bestim-
mungen, die sachlich bei der unmittelbaren Reichsangehörigkeit nicht zu-