2. Abschn. Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaate. (§ 3.) 45
b) daß die Mehrzahl der übrigen Kulturstaaten die Geburt im In-
land entweder als hauptsächlichen Erwerbsgrund für die Staatsangehörig-
keit oder doch neben der Abstammung in mehr oder weniger ausgedehn-
tem Maße als Vermittlerin des Staatsverbandes anerkannt hätte (vgl.
hierzu die Ubersicht Ziff. 6 unten S. 234), "
c) daß selbst das Deutsche Reich in dieser Richtung in seinen Staats-
verträgen mit Costa Rica (vom 18. Mai 1875 — RGl. 1877 S. 13 —
erloschen 1897) und mit Nicaragua (s. unten S. 202) schüchterne Ver-
suche gemacht habe,
d) daß übrigens auch für die Inländer ein Bedürfnis nach einer
solchen Rechtsvermutung bestehe, da die meisten Deutschen keinen ur-
kundlichen Nachweis über ihre Erwerbung der Staatsangehörigkeit er-
bringen könnten. -
Hiergegen wurde eingewendet, daß das sogen. ius soli mit der
Reinhaltung unserer völkischen Eigenart, die sich das Gesetz neben der
Erhaltung der Volksgemeinschaft als Aufgabe gestellt habe, unvereinbar
sei. Gälte aber das ius soli, so würden die im deutschen Reiche ge—
borenen Stammfremden gleichwohl die Staatsangehörigkeit ihrer Eltern
behalten, da ihnen durch das deutsche Gesetz die auswärtige Staats-
angehörigkeit nicht aberkannt werden könnte. Bei der Erfüllung der
Wehrpflicht kämen sie nun in eine schwierige Lage, die nicht nur für
sie, sondern auch für die beteiligten Staaten Unzuträglichkeiten ver-
ursachen würde. Gegenüber ihrem angestammten Heimatlande könnte
ihnen das deutsche Reich auch niemals den Schutz gewähren, auf den
seine Angehörigen dem Auslande gegenüber regelmäßig Anspruch haben.
In den Verträgen mit dem Auslande, namentlich den mittel= und süd-
amerikanischen Staaten habe sich das Reich stets bemüht, das ius soli,
das dort gelte, für die deutschen Staatsangehörigen auszuschalten. So
geben die Verträge mit Honduras, Guatemala und Nicaragua (s. unten
S. 201 f.) den in diesen Ländern geborenen Kindern der eingewanderten
Deutschen die Möglichkeit, bei Erreichung der Volljährigkeit sich dauernd
der Staatsangehörigkeit des Geburtslandes zu entziehen und damit
Deutsche zu bleiben. Umgekehrt besitzen auch die Kinder von Angehörigen
jener Staaten, die im Deutschen Reiche geboren sind, weder die Staats-
angehörigkeit im Bundesstaate ihres Geburtsorts noch ein Recht auf
Einbürgerung dortselbst. Der Reichstag hat sich mit überwiegender
Mehrheit dem Standpunkte der verbündeten Regierungen angeschlossen,
daß das Blut, nicht der Geburtsort für die Staatsangehörigkeit ent-
scheidend bleiben solle (Komm Ber. S. 34, 36, 38, 81; Sten. Ber. S. 277 A,