Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.3. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (3)

81182. Die Arbeiterversicherung. 237 
der Versicherungsbeiträge in einer den Verhältnissen des Großherzogthums angepaßten 
zweckmäßigen Weise zu regeln. 
Für das Großherzogthum wurde eine Berufsgenossenschaft mit dem Sitze in Karls- 
ruhe gebildet, ohne Eintheilung derselben in Sektionen. Ihr ist auch die großherzogliche 
Regierung mit sämmtlichen für Rechnung des Staats verwalteten land= und forstwirth- 
schaftlichen Betrieben und Nebenbetrieben beigetreten. 
Die Genossenschaftsversammlung besteht aus Vertretern der Unternehmer der ver- 
sicherungspflichtigen Betriebe. Sie werden von den Kreisversammlungen gewählt. Der Ge- 
nossenschaftsvorstand besteht aus einem Vorsitzenden und vier von der Genossenschaftsver- 
sammlung gewählten Beisitzern. Auf Antrag der Genossenschaftsversammlung kann der 
Vorsitzende durch die Regierung mit den Rechten und Pflichten eines Staatsbeamten er- 
nannt werden. Davon ist Gebrauch gemacht worden. Als örtliche Genossenschaftsorgane 
sind Vertrauensmänner zu bestellen. Die Wahl derselben und ihrer Stellvertreter erfolgt 
durch den Genossenschaftsvorstand auf Vorschlag des Bezirksrathes. 
Bezüglich der Beiträge wurde der reichsgesetzliche Grundsatz, daß dieselben nach 
Maßgabe des Arbeitsbedarfs der einzelnen Betriebe umzulegen seien, beibehalten. Jedoch 
wurden hinsichtlich der Abschätzung der für jeden Betrieb erforderlichen Arbeitsmenge sehr 
wesentliche Vereinfachungen eingeführt. Auch soll die Höhe der mit dem Betrieb verbundenen 
Unfallgefahr nur dann für die Umlegung der Beiträge in Betracht kommen, wenn das 
Statut der Genossenschaftsgefahr die Bildung von Gefahrenklassen vorschreibt. Dies ist 
z. Zt. nicht der Fall. · 
Bezüglich des Abschätzungsverfahrens trifft das Landesrecht wesentliche Vereinfachungen. 
Insbesondere ist die Urerhebung darauf beschränkt, daß für jeden Betrieb ohne weitere Unter- 
scheidung nach selbständiger und unselbständiger, weiblicher und männlicher rc. Arbeits- 
leistung lediglich im Ganzen festgestellt wird, welches Maß menschlicher Arbeit, in Arbeits- 
tagen männlicher Arbeiter berechnet, nach den objektiven Merkmalen des Betriebs im 
Jahresdurchschnitt zu dessen Bewirthschaftung erforderlich ist. 
Betriebe, zu deren Bewirthschaftung im Jahresdurchschnitt nicht mehr als 200 Ar- 
beitstage erforderlich sind, werden nach fünf Klassen eingeschätzt; nur hinsichtlich der größeren 
Betriebe werden genauere Erhebungen gemacht. Die Einziehung und Beitreibung der Bei- 
träge erfolgt durch die Behörden der Steuerverwaltung. Uneinziehbare Beträge fallen der 
Gesammtheit der Berufsgenossen zur Last. 
Endlich enthält das Gesetz Strafbestimmungen und die schon oben § 50 erwähnte Er- 
mächtigung an die großherzogliche Regierung zur Regelung des Verwaltungsstreitverfahrens 
auf Grund reichsgesetzlicher Bestimmungen. 
Eine zum Vollzuge des Reichsgesetzes und des Landesgesetzes von dem Ministerium 
des Innern unterm 25. Juni 1885 erlassene Verordnung #) enthält nähere Vorschriften 
über die Zuständigkeit und das Verfahren der Behörden, die Festsetzung der Durchschnitts- 
preise der Naturalbezüge und des durchschnittlichen Jahresarbeitsverdienstes, die Genossen- 
schaftsversammlungen und die sonstigen Genossenschaftsorgane, die Anzeige und Untersuchung 
der Unfälle 2c. 
Insbesondere bezüglich der verwaltungsgerichtlichen Zuständigkeit, ist bestimmt: 
Der Verwaltungsgerichtshof erkennt mit den in § 4 des V.R.Pfl. G. enthaltenen Maß- 
gaben in erster und einziger Instanz über Klagen gegen Entscheidungen, welche die Auf- 
sichtsbehörde gemäß 8 11 Abs. 1 des R.G. erlassen hat. 
Die Nothfrist zur Einreichung der Klage beträgt 14 Tage. 
1) G. u. V. Bl. Nr. XXIV, S. 297, abg. 3. Sept. 1892, G.u. V. Bl. Nr. XXVII, S. 449.
	        
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