WILHELAI DER STEGREICIITE 9
im jugendlichen Alter das schreckliche Unglück des
Vaterlandes sehen müssen, das wird sein Gutes
haben. Ihr werdet eure Kräfte entwickeln und
danach trachten, euer Volk von der Schande und
der Erniedrigung, in welcher es schmachtet, zu be-
freien.. Preußens Schutzgeist wird euch zur Seite
stehen. Ruft euch diese Stunde in euer Gedächtnis
zurück, wenn eure Mutter und Königin nicht mehr
am Leben ist. Sie sei euch Mahnung, daß ihr
Männer werden müßt, um den Nationalruhm eures
Vaterlandes zurückzuerobern, wie der große Kurfürst
bei Fehrbellin’ die Niederlage seines Vaters an den
Schweden rächte. Werdet Helden und geizet nach
dem Ruhm großer Feldherren. Fehlte euch dieser
Ehrgeiz, so wäret ihr nicht wert, die Enkel des
großen Friedrich zu heißen. Vergeßt nicht, meine
Kinder, daß tief im Herzen unfres Volkes das
Gefühl für Recht und Pflicht lebt. Noch leidet es
unter dem Druck des Erbfeindes, aber trotzdem
wacht es für seine Ehre, und der Tag wird kommen,
an welchem cs sich wie ein Mann erheben wird,
um Vergeltung zu üben für die ihm angethane
Schmach. Für diese Stunde seid gerüstet! Seid
vorbereitet, daß ihr es zum Kampf und zum Siege
führen könnt."
Die Königin vermochte nur mit großer Anstren-
gung zu sprechen. Und sie hatte noch so vieles zu
sagen und zu fragen. Immer heftiger wurden die
Brustkrämpfe. Die königlichen Söhne küßten die
geliebte Mutter zum letztenmal und entfernten sich
weinend. Näher und näher rückte die letzte, die
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