Full text: Wilhelm der Siegreiche.

WIHELM DER SIEGREICHI 60 
  
abend Kaiser Wilhelms sollte in Nacht zerflieoßen. 
Und es war im Rate der Vorsehung beschlossen, 
daß dunkles Gewölk den Ubergang bilden sollte. 
Bald nach der neunzigjährigen Geburtstagsfeier 
des Kaisers begann Kronprinz Friedrich an einem s 
Kehlkopfleiden zu erkranken, das nach einigen hoff- 
nungverheißenden’ Unterbrechungen mehr und mehr 
einen drohenden Charakter annahm. 
Heiße Sorge bereitete dem hochbetagten Monarchen 
die Befürchtung, daß sein Fritz, der eine so hohe 20 
Begabung für die Leitung der deutschen Angelegen- 
heiten besaß, dereinst sein Nachfolger nicht würde 
sein können. Ein zweites Weh traf den greisen 
Herrscher in dem Ableben seines Enkels, des zweiten 
Sohnes seiner einzigen Tochter, der Großherzogin 23 
von Baden, welcher durch besondre Vorzüge des 
Geistes und Herzens sein Liebling gewesen war. 
Die für das Lcben des geliebten Landesvaters 
besorgte Bevölkerung durfte mit Recht annehmen, 
daß diese schweren Schicksalsschläge nicht ohne Nach-20 
teil für seine Gesundheit vorübergehen würden; 
und in der That verbreiteten sich die düstersten 
Vermutungen, als der Kaiser beim Aufziehen der 
Wache' nicht mehr am Fenster erschien, und der 
Staatsanzeiger am 8. März 1888 die Nachricht 
brachte, daß Seine Majestät eine sehr unruhige 
Nacht gehabt hätten und die Kräfte im Abnehmen 
begriffen seien. 
Als dann am Nachmittag in der sechsten Stunde 
sämtliche Glocken der Hauptstadt zum Gebet für 
den hohen Sterbenden riesen, verbreiteten sich 
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