Schlußwort.
Das Oeutsche Reich, wie es hervorgegangen ist aus den Feuertaufen von Königgrätz
und Sedan als die späte Frucht des langen Werdeganges unseres Volkes, konnte erst
entstehen, als der deutsche Geist und die preußische Monarchie sich fanden. Sie mußten
sich finden, sollte ein einheitliches deutsches Staatslebeen von dauernder Kraft gewonnen
werden. Oie schicksalsreiche deutsche Geschichte sah des Großen, des Gewaltigen die Fülle, sie
sah den Kampf der deutschen Kaiser um das Erbe der Cäsaren, sah die deutschen Waffen
siegreich am Belt und am Mittelmeer, in Kleinasien und im Herzen des heutigen Frank-
reichs, sie sah nach dem geistigen Läuterungsprozeß der Reformationszeit die höchste Ent-
faltung künstlerischen und wissenschaftlichen Lebens seit den Tagen des alten Hellas und
dem Cinquecento. Aber das staatliche, das politische Ergebnis war doch im 19. Zahrhundert
die Auflösung aller staatlichen Formen, die Uberflügelung der deutschen Macht durch die
jüngeren Staaten des europäischen Westens und Ostens. In tausendjähriger Arbeit war
kulturell das Höchste, politisch nichts erreicht worden. Die von Natur gesegneten Gebiete
des deutschen Westens und Südens haben dem deutschen Geistesleben unvergängliche
Werke geschaffen, aber für das härtere Geschäft der Staatsbildung die Kraft nicht aufzu-
bringen vermocht. Wir modernen Oeutschen teilen das herbe Urteil Treitschkes über den
Unwert der deutschen Kleinstaaten nicht mehr. Wir haben im jahrzehntelangen Besitz
der Reichseinheit die Freiheit des Blickes wiebergewonnen für die mannigfachen Segnun-
gen, die wir den Ueinen Staatsbildungen verdanken. Den Sünden des deutschen Parti-
kularismus standen doch zur Seite die Förderung und der Schutz, die das geistige Leben
Deutschlands von den Fürsten und Städten erfuhr. Der weimarische Musenhof hat
wohl das Größte, nicht das einzige geleistet. Die Geschichte der meisten außerpreußischen
Staaten ist verknüpft mit dem Namen dieses oder jenes derjenigen Männer der Wissen-
schaften und Künste, die geholfen haben, den großartigen Bau unseres geistigen Lebens
aufzurichten. Als Preußen sich seiner Pflichten gegen die ideellen Güter Deutschlands
erinnerte, in jenen schweren und doch großen Jahren, in denen Friedrich Wilhelm III.
das schöne Wort fand, der preußische Staat müsse durch geistige Kräfte ersetzen, was er
an phpsischen eingebüßt hat, hatte der deutsche Geist schon die höchsten Gipfel erstiegen
ohne die Hilfe Preußens. Das geistige Leben Deutschlands, das die Welt bewundern
gelernt hat, dem selbst der erste Napoleon Reverenz erwies, ist das Werk des deutschen.
Westens und Südens, geleistet unter dem Schutze seiner Fürsten, der kleinen Staaten
und der freien Städte.
Das Volk auf dem märkischen Sande, in den von der Natur karg bedachten Ebenen
östlich der Elbe und Oder aber hat in den Jahrhunderten, die die deutsche Kultur im
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