42 Staats- und Verwaltungerecht. II. Buch.
Der Polizeibezirk Berlin hat durch eine Reihe von Sondergesetzen eine besondere terri-
toriale und sachliche Ausgestaltung gefunden und stellt allerdings auch heute schon eine weit
über den Kommunalbezirk Berlin binausreichende selbständige große Polizeiprovinz dar.
Die Verwaltungsexekutive hat eine weitere Entwicke-
lung gefunden durch neue Vorschriften über Verwal-
tungsstreitverfahren, Verwaltungszwangsverfahren und Verwaltungs-
strafverfahren.
Das Verwaltungsstreitverfahren hat allerdings eine grundsätzliche Beränderung gegen-
über den seit 1875, zuletzt durch die Gesetzgebung von 1883, geschaffenen Einrichtungen
nicht gefunden; insbesondre ist der dreifache Instanzenzug Kreisausschuß, Bezirksausschuß,
Oberverwaltungsgericht bis jetzt beibehalten worden. Der große Umfang, den die Arbeit
des Oberverwaltungsgerichtes angenommen hat, führte 1911 zum Erlaß eines Gesetzes
über die Bestellung von Hilfsrichtern bei dem obersten Verwaltungsgerichtshofe. Daß
die Verwaltungsgerichtsbarkeit eine Fülle schwieriger und noch ungelöster Probleme in
sich schließt, ist keinem Kundigen zweifelhaft und daraus folgt, daß die Gesetzgebung
genötigt sein wird, sich zum gegebenen Zeitpunkte neuerdings eingehend mit dieser
wichtigen Materie zu beschäftigen. Zweifellos hat die seit 1875 ergangene Gesetzgebung,
insbesondre durch die im ganzen ausgezeichnete Rechtsprechung des Ober-
verwaltungsgerichtes, der gesamten Verwaltung und damit dem Staatsleben über-
haupt eine erhöhte Sicherheit der Rechtsgrundlage gegeben, im einzelnen aber wird
eine erhebliche Verbesserung durch Vereinfachung der dermaligen Einrichtungen sich
als notwendig und auch als möglich erweisen; dabei wird als leitender Grundsatz streng
festzuhalten sein, daß die Verwaltungsgerichtsbarkeit durch Gewährung er-
höhter Rechtssicherheit die Verwaltung stärken muß, nicht aber durch for-
malistische Eingriffe die Kraft der Verwaltung schwächen darf.
Das Verwaltungszwangsverfahren ist für alle Abgaben und anderweitigen Geld-
beträge, die durch Berwaltungszwang beizutreiben sind, in einer umfassenden König-
lichen Berordnung 1899 vollständig neu geregelt worden. Uber das Verwaltungsstraf-
verfahren bei Zuwiderhandlungen gegen die Zollgesetze und die Vorschriften über in-
direkte Reichs- und Landesabgaben erging 1897 ein Gesetz, welches insbesondre die Zu-
ständigkeit der Berwaltungsbehörden und der ordentlichen Gerichte abgrenzt und ersteren
auch die Entscheidung überträgt, insoweit es sich um Geldstrafen und Einziehung von
Sachen handelt; zuständig hierfür sino die Hauptzoll- und Steuerämter bei geringeren,
die Oberzolldirektionen bei schwereren Fällen. In welchen Fällen und unter welchen
Voraussetzungen die ordentlichen Strafgerichte elinzutreten haben, ist gesetzlich bestimmt.
11. Berwaltungszwang.
3. Die materielle Berwaltung
1. Has Schulwesen. Das in der Verfassung vorgesehene allgemeine Schulgesetz hat
bis jetzt nicht erlassen werden können. Wiederholte Versuche,
dies große Gesetzgebungswerk zustande zu bringen, scheiterten, zuletzt im Zahre 1890.
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