Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Erster Band. (1)

  
II. Buch. Staats- und Verwaltungerecht. 43 
  
Wohl aber sind eine Reihe von Sondergesetzen über das Elementarschulwesen ergangen. 
Oie Gesetzgebung der letzten Zeit hat sich insbesondre mit den materiellen Grund- 
lagen des Elementarschulwesens beschäftigt. Das große und schwere Problem der Unter- 
haltungspflicht für die Elementarschulen ist durch die ausgezeichnete und sehr eingehende 
Gesetzgebung von 1906 dahin gelöst worden, daß diese Pflicht grundsätzlich den Gemeinden 
obliegt, daß aber von Staats wegen für Schulzwecke erhebliche Zuschüsse an die Gemeinden 
geleistet werden. Der bisherigen Rechtszersplitterung auf diesem Gebiete und den zahl- 
losen Streitfragen, die die Folge veralteter Rechtsvorschriften waren, ist mit der Ge- 
setzgebung von 1906 ein Ende gemacht worden. Im Alnschluß an dieses Gesetz erging 
1909 ein vollständiges Gesetz über das Diensteinkommen der Lehrer und Lehrerinnen an 
öffentlichen Volksschulen. ODie staatlichen Aufwendungen für das Schulwesen betrugen 
1888 noch 62 Millionen Mark, 1913 dagegen rund 233 Millionen Mark. 
Fortbildungsschulen. Außer der großen finanziellen Neugestaltung des Elemen- 
tarschulwesens hat auf dem Gebiete des Schulwesens zu 
gesetzgeberischem Eingreifen noch das Problem der sog. Fortbildungsschulen geführt. 
Oas preußischdeutsche Schulwesen beruht auf dem Prinzipe des Schulzwanges für alle 
Kinder ohne jede Ausnahme vom vollendeten 6. Lebensjahre ab für die Dauer von 8 Lahren. 
Nach der Schulentlassung erfolgt bei der weitaus größten Zahl der Kinder der Eintritt 
in das Erwerbsleben des Volkes. Mit dem 20. Lebensjahre beginnt dann eine zweite 
Periode staatlicher Zwangspflicht für den größten Teil der männlichen Zugend, die Zeit 
der Erfüllung der gesetzlichen Wehrpflicht. Eine allgemeine gesetzliche Verpflichtung zu 
weiterem Schulunterricht nach Entlassung aus der Volksschule besteht zurzeit nicht. Es 
hat sich nun, zuerst in den Städten und auf dem Gebiete des gewerblichen Lebens, das 
starke Bedürfnis geltend gemacht, sog. Fortbildungsschulen zu errichten, sei es zu fach- 
licher Ausbildung junger Leute, sei es zur Förderung allgemeiner Bildung. Durch ein 
kraftvolles Zusammenwirken der staatlichen Verwaltung im Handeleministerium mit 
zahlreichen städtischen Verwaltungen hat dieser Gedanke der gewerblichen Fortbildungs- 
schulen auf der Grundlage der fachlichen Ausbildung eine starke Entwickelung in der 
Rechtsform gefunden, daß den Städten durch Gesetz gestattet wurde, eine Verpflichtung 
zum Besuche dieser Fortbildungsschulen durch Ortsstatut aufzustellen. 
Inzwischen hatten aber auch auf anderen Gebieten sich gleiche Bedürfnisse geltend 
gemacht, insbesondre in dem weiten Bereiche der Landwirtschaft, und es wurde diesen 
Bedürfnissen in ähnlicher Weise wie durch die gewerblichen Fortbildungsschulen der 
Städte durch ländliche Fortbildungsschulen Rechnung getragen. Die einschlägige Gesetz- 
gebung erging für einzelne Provinzen und ihre Ausführung wurde den Gemeinden, 
teilweise auch den Kreisen auf statutarischem Wege freigegeben. (Schlesien 1910, Han- 
nover 1909, Hessen-Nassau 1904, Westpreußen und Posen 1886 —1898, für die übrigen 
Provinzen 1915.) 
Bei dieser Entwickelung der Dinge konnte es nicht ausbleiben — und es geschah 
dies zuerst im Herrenhause durch den Feldmarschall Graf Häseler — daß sich die 
Frage erhob, ob nicht das gesamte Fortbildungsschulwesen, gewerbliches wie 
  
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