Il. Buch. Die Selbstverwaltung. 63
lich andere, zumeist weit ungeduldigere Beurteilung erfahren, wenn es sich um einen
öffentlichen, als wenn es sich um einen privaten Betrieb handelt. Dazu kommt ferner,
daß der private Arbeitgeber bei unbegründeten Arbeitseinstellungen erfahrungsgemäß
weit eher in der Lage ist, anderweite Arbeitskräfte heranzuziehen und damit unerwünschte
Betriebsstockungen wieder zu beseitigen.
Erwägungen solcher Art haben die Selbstver-
waltung mehr und mehr dazu geführt, neben
der üblichen — amtlichen — Verwaltungsart
neue Organisationsformen für die Verwaltung ihrer gewerblichen Betriebe zu ver-
suchen, die ihnen die größeren Vorteile der privaten Betriebsführung sichern.
So hat man vorhandene öffentliche Betriebe in Aktien- oder anderweite private Gesell-
schaften mit ausschließlichem oder überwiegendem Aktien- oder Kapitalbesitz der hauptsäch-
lich interessierten Selbstverwaltungskörperschaft umgewandelt, unter ihrer Beteiligung
neue Privatbetriebe gegründet, auch wohl den Weg der Verpachtung bisheriger Selbstver-
waltungsbetriebe an private Gesellschaften unter entsprechender Wahrung der öffent-
lichen Interessen gewählt. Welcher der bisher versuchten Wege der beste ist, ob es — wie
angeregt — besonderen gesetzlichen Eingreifens zur Ermöglichung solcher oder noch anderer
Wege bedürfen wird, wird die Erfahrung lehren müssen. Nach dem bisherigen Entwicke-
lungsgange der Selbstverwaltung wird voraussichtlich auch auf diesem Gebiete ihr ge-
sunder Grundgedanke — eigene Wahl des als geeignet erkannten Weges — zu der den
jeweiligen örtlichen Verhältnissen am besten entsprechenden Lösung führen. —
Die im Vorstehenden versuchte zusammenfassende Darstellung innerer Organisa-
tions- und Entwickelungsfragen der Selbstverwaltung kann jedoch nicht abgeschlossen
werden, ohne in Kürze noch auf eine, in den dichtestbevölkerten Teilen des Vaterlandes
und in der Entwickelung der Großstädte immer wichtiger gewordene Frage einzugehen:
die Frage des Entstehens und der Lösung von Interessengegensätzen mehrerer Selbst-
verwaltungskörper.
Neue Organisationsformen für
die gewerblichen Betriebe.
Jede gesunde Entwickelung eines Selbstver-
waltungskörpers bringt von selbst allmählich eine
mehr oder weniger starke, erwünschte oder un-
erwünschte Beeinflussung auch der an ihn angrenzenden mit sich. Ein an der Grenze einer
Nachbargemeinde angelegter schöner Park, eine wohl gar in einer solchen geschaffene große
Anstalt wird in der Regel die bisherigen Besiedelungs- und Wertverhältnisse der Nachbar-
gemeinde ohne ihr eigenes Zutun verbessern. Eine an der Grenze einer Gemeinde ge-
schaffene, viele Arbeiter beschäftigende Fabrik kann die Armen- und Schullasten-Ver-
hältnisse der von den Arbeitern bewohnten Nachbargemeinde wesentlich verschlechtern.
ZJe machtvoller die Entwickelung des einen Verwaltungegebietes, um so weiter wird sein
Einfluß reichen und um so mehr werden mit der Zeit auch berechtigte nach barliche
Interessen - Gegensätze nicht ausbleiben können. Solche Gegensätze bedürfen natürlich
auf die Dauer der Lösung, wenn nicht aus zunächst nur mehr oder weniger übel
Interessengegensätze mehrerer
Selbstverwaltungskörper.
199