Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Erster Band. (1)

  
II. Buch. Finanzen und Steuern. 103 
  
anfangs geflossen, wenn mehr für Eisenbahnen, Hafenbauten, kurz für ihre Erschließung 
geschehen wäre. 
Das Reichsamt des Innern hat seinen Bedarf an fortdauernden Ausgaben 
in den Jahren 1888—1912 von 8,05 auf 93,51 Mill. M., also um das Elfeinhalbfache 
gesteigert. Eine große Anzahl neuer Aufgaben ist diesem Amte erwachsen; finanziell 
von der größten Tragweite sind die Zuschüsse des Reiches zur Invalidenversicherung, 
die 1911: 53,3 Mill. M. und seit 1891 im ganzen 693 Mill. MM. Mehrausgaben betrugen. 
Unter den sonstigen Ausgaben verdienen Erwähnung die mit 1886 einsetzenden und zur- 
zeit etwa 8 Mill. M. betragenden Postdampfersubventionen, die Ausgaben für den 
meteorologischen Dienst, zur Förderung der Seefischerei und des Absatzes landwirt- 
schaftlicher Produkte, zur Unterstützung von Landwirtschaft, Gewerbe und Handel u. dgl. 
Die einmaligen Ausgaben dieses Amtes betragen seit 1888 etwa 131 Mill. M., die außer- 
ordentlichen rund 318, darunter seit 1902 rund 38 Millionen Darlehen an Baugenossen- 
schaften usww. zur Herstellung von Kleinwohnungen und große Beträge für Erbauung 
und Erweiterung des Kaiser-Wilhelm-Kanals. 
Der Aufwand der Reichsjustizverwaltung betrug 1888 1,89 Mill. M., 1912 2,86, 
die zum weitaus überwiegenden Teil auf das Reichsgericht entfallen. Daneben treten 
bier zeitweise größere einmalige Ausgaben auf, die aber 1 Mill. M. nur selten übersteigen. 
Die Zunahme der Ausgaben der Reichszivilverwaltung erklärt sich aus dem natür- 
lichen Verlauf der Dinge. Die Geschäfte der Amter sind umfangreicher geworden und 
erfordern ein größeres Beamtenpersonal, der Pensionsaufwand hat zugenommen, die 
Teuerung der Lebenshaltung hat Gehaltsaufbesserungen und Wohnungsgelder nötig 
gemacht. Noch mehr aber wuchs der Aufwand durch die Ubernahme neuer Aufgaben 
auf das Reich und die Verselbständigung früher unselbständiger Abteilungen der 
Reichsämter. Wer die Behördenorganisation des Reiches im Jahre 1872 oder auch 
noch 1888 mit der heutigen vergleicht, ist erstaunt über die große Menge von 
Zentralbehörden, die von dem Reichskanzleramt, dann von dem Reichsamt des 
Innern abgezweigt wurden. Oiese Entwicklung, die dem geistigen und wirtschaftlichen 
Fortschritt dient, wird auf allgemeinen Beifall rechnen. Wenn auch die Pfflege 
der geistigen und wirtschaftlichen Kultur in erster Linie Sache der Einzelstaaten geblieben 
ist, so gibt es doch Aufgaben, die nur oder doch am besten von dem größeren Ganzen 
des Reiches in Angriff genommen werden können. Hierher gehört das große Werk 
der Arbeiterversicherung, das für Handel und Marine gleich bedeutende Werk des Kaiser- 
Wilhelm-Kanals, die Amter, die auf wichtigen Gebieten die Reichseinheit zum Ausdrucke 
bringen: das Patent-, das Statistische, das Reichsgesundheitsamt, das Aufsichtsamt 
für Privatversicherung u. a. Es wäre freudig zu begrüßen, wenn für solche Zwecke 
noch reichlichere Mittel zur Verfügung gestellt werden könnten. 
Eine bedeutende Zunahme haben die Ausgaben für die Reichsschuld, 
entsprechend ihrem unaufhaltsamen und starken Anwachsen, erfahren. Von 1888 
bis 1912 ist der Aufwand von 34,5 auf 234,45 Mill. M. gestiegen. Ungefähr die Hälfte 
davon muß dem Rüstungsaufwand, der Rest größtenteils der Post= und der Eisenbahn- 
verwaltung zur Last gerechnet werden. 
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