116 Finanzen und Steuern. II. Buch.
schüttern. Die Finanzreform von 1909 hat sie dann auch auf das Reich übernommen,
der zu leistende Beitrag wurde aber auf 80 Pfennige pro Kopf erhöht. Eine Verbesserung
besteht darin, daß zugleich den Bundesstaaten einige Sicherheit gegeben wurde, daß
dieser Betrag zunächst nicht überschritten werden würde, und daß das Uberweisungswesen
eine wesentliche Vereinfachung erfuhr. Wenn nun auch die Matrikularbeiträge zu-
nächst begrenzt sind, so bestehen sie doch, Erhöhungen sind rechtlich nicht ausgeschlossen,
und sie schweben demnach wie ein Damoklesschwert über den Bundesstaaten. Nachdem
sie nun einmal aus einer provisorischen eine ständige Einrichtung geworden sind, müßte
wenigstens eine Festlegung ihres Höchstbetrags auf eine längere Zeitperiode erfolgen,
zum Heile der Bundesstaaten, die vor Uberraschungen gesichert wären, und des Reiches,
das zur finanziellen Selbständigkeit geführt würde.
Has Schuldenwesen. Im Zahre 1875 war das Reich noch schuldenfrei. Dann
begann das Schuldenmachen, anfangs in mäßigen Be-
trägen, dann in immer größeren. ODie 8 Jahre 1887—94 brachten allein eine Schulden--
vermehrung von 486 auf 2081 Mill. M., was eine jährliche Zuwachsrate von rund
200 Millionen bedeutet. Es geschah dies in einer Zeit, in der über 500 Mill. M. „UÜber-
schüsse“ an die Bundesstaaten abgeführt wurden. Von da bis 1898 wuchs die Schuld mäßig,
jährlich um etwa 385 Millionen, so daß der Schuldenstand sich damals auf 2223 Millionen
belief. Davon entfielen 1848 Millionen auf die Landesverteidigung, nämlich 1502 auf das
Heer, 346 auf die Flotte. Der Rest verteilt sich mit 117 Millionen auf die Reichseisen--
bahnen, 75 auf die Post- und Telegraphenverwaltung, 105 auf den Nordostkanal, 52 auf
die Kosten des Zollanschlusses von Bremen und Hamburg, 46 auf das Münzwesen. Aur
ein recht Ueiner Teil der Schulden ist demnach für werbende Anlagen verwendet worden.
Zm Zahre 1900 betrugen die Schulden mit Einschluß von 80 Mill. langfristiger Schatz-
anweisungen 2395 Millionen. Dann setzt neuerdings eine Periode starker Verschuldung
ein, so daß 1907 mit Einrechnung von 100 Millionen langfristiger Schatzanweisungen
von 1904 der Schuldenstand 4004 Millionen betrug. Allerdings fallen in diese Zeit die
Kriegsausgaben für Ostasien und Südwestafrika mit 717 Millionen, deren UÜbernahme
auf Anlehen unvermeidlich war. Am 31. März 1912 war der Stand der Reichsanleihen
4,802 Millarden M., darunter 220 Mill. M. verzinsliche Schatzanweisungen. Etwa
600—700 Millionen der Schulden entfallen auf werbende Anlagen, davon wieder über
300 Millionen auf die Eisenbahnen. Seit dem Zahre 1888, in dem 721 Mill. M. Schulden
vorhanden waren, stieg also die Schuldenlast um rund 4,1 Millarde oder 170 Millionen
im Zahr. Entsprechend dem Anwachsen der Schulden ist auch die Zinsenlast gestiegen:
1888 erforderte die Verwaltung und Verzinsung 29 Millionen, 1913 stehen dafür
178,5 Millionen im Voranschlag.
Bis zum Zahre 1901 fehlte es an allen Grundsätzen im Anleihewesen, und die Ver-
hältnisse drängten ja auch zu einer laxen Handhabung. Zahlreiche Ausgaben im ordent-
lichen Etat, die durch ordentliche Einnahmen hätten gedeckt werden sollen, wurden als
außerordentliche behandelt und auf Anleihen übernommen. Es hat auch nicht an der
Erkenntnis der Mißstände gefehlt; seit Ende der 1880 er Fahre war die Finanzverwaltung
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