Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Erster Band. (1)

  
72 Völkerrecht. IIl. Buch. 
  
Die erste Friedenskonferenz vom Fahre 
1899, an der die Bedvollmächtigten von 
26 Staaten teilnahmen, ist bekanntlich auf Veranlassung der russischen Regierung zu- 
sammengetreten; ihre Beratungen dauerten 11 Wochen (von Mitte Mai bis Ende Zuli). 
Denselben lag ein von der russischen Negierung entworfenes Programm zugrunde, das 
ein dreifaches Ziel verfolgte: 
1. Vereinbarung einer Frist, während welcher die gegenwärtigen Effektiostärken 
der Land- und Seestreitkräfte, sowie die Kriegsbudgets nicht erhöht werden dürfen 
und Anstellung einer Untersuchung, um in der Zukunft eine Verminderung der Kriegs- 
budgets und der Effektivstärken zu erreichen. 
2. Kodifikation des Landkriegsrechts durch Revision der auf der Brüsseler Konferenz 
vom Jahre 1874 ausgearbeiteten, aber nicht ratifizierten Deklaration über die Kriegs- 
gebräuche und Gesetze. 
Im Zusammenhang damit waren verschiedene Milderungen des Kriegerechts 
überhaupt vorgeschlagen. a) Vor allem sollte die zunächst für den Landkrieg berechnete 
Genfer Konvention vom JZahre 1864 über die Behandlung der Verwundeten und die 
Unverletzlichkeit der Feldlazarette und ihres Personals auf den Seekrieg übertragen 
und demselben angepaßt werden. b) Sodann war vorgeschlagen ein Verbot der Ein- 
führung neuer Feuerwaffen und Explosivsftoffe in den Landheeren und Flotten und der 
Anwendung stärker wirkender Pulversorten als der gegenwärtig in Gebrauch befindlichen 
für Gewehre und Kanonen, ferner die Einschränkung der Verwendung schon vorhandener 
Explosivstoffe von verheerender Wirkung für Landkriege, und ein Verbot, Geschosse oder 
irgendwelche Explosivstoffe von einem Luftballon aus oder durch Benutzung ähnlicher 
Mittel zur Verwendung zu bringen, endlich ein Verbot, in Seekriegen unterseeische 
Torpedoschiffe oder andere Zerstörungsmittel gleicher Art zu benutzen und in Zukunft 
Kriegsschiffe mit Rammsporn zu bauen. 
3. Die grundsätzliche Annahme der guten Dienste, der Vermittlung und des fakul- 
tativen Schiedsverfahrens, um bewaffnete Zusammenstöße zwischen den Völkern zu 
vermeiden, sowie eine Verständigung betreffs der Anwendung dieser Mittel und Auf- 
steltung eines einheitlichen Verfahrens für diese Anwendung. 
Gegenülber diesem reichhaltigen Programm war das Ergebnis der Konferenz ein 
ziemlich dürftiges. Was nämlich zunächst die sog. Abrüstungsfrage anlangt, so einigte 
sich die Konferenz lediglich auf eine Resolution dahingehend, daß eine Einschränkung 
oder gegenwärtig die Welt bedrückenden Kriegslasten im Interesse des materiellen 
wie moralischen Fortschritts der Menschheit“ sehr wünschenswert wäre. Zm Anschlusse 
an diese Resolution wurde der Wunsch ausgesprochen, daß die Regierungen neuerlich 
die Möglichkeit einer Verständigung über eine Beschränkung der Land- und Seestreit- 
kräfte und der Kriegsbudgets in Erwägung ziehen möchten. 
Anlangend sodann die Regelung des Kriegsrechts und die Milderungen desselben, 
so wurde in der Tat eine, die Gesetze und Gebräuche, des Landkrieges betreffende Ver- 
einbarung festgestellt. 
Ferner wurde eine Vereinbarung über die Anwendung der Genfer Konvention auf 
Die Friedenskonferenz von 1899. 
  
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