Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Erster Band. (1)

  
III. Buch. Völkerrecht- 7 
  
konferenz nicht geregelte Materien des Seekriegsrechts eine Einigung zu erzielen. Dies 
gelang auch in der bereits erwähnten Seerechtsdeklaration vom 26. Februar 19097). 
Ourch die auf den beiden Friedenskonferenzen und der Londoner Konferenz fest- 
gestellten Vereinbarungen ist in der Hauptsache eine Kodifikation des Landkriegsrechts 
sowohl, wie des Seekriegsrechts erfolgt. 
Soweit durch die erwähnten Vereinbarungen die Rechtsordnung des Landkriegs 
bzw. des Seekriegs keine ausdrückliche Regelung erfahren hat, bleiben die Grundsätze, 
die sich gewohnheitsrechtlich gebildet haben in Geltung. Dies gilt unter anderem von 
dem vielumstrittenen Seebeuterecht, das mit Recht grundsätzlich aufrecht erhalten ist, 
aber eine umfassende Kodifikation nicht erfahren hat, wenn auch durch einzelne Kon- 
ventionen in mancher Beziehung eine genauere Regelung und auch eine Milderung der- 
selben eingetreten ist2). 
Betrachtet man den Verlauf und die Ergebnisse 
der beiden Friedenskonferenzen, so kann man 
denselben eine nicht zu unterschätzende Be- 
deutung nicht absprechen, selbst wenn man dieselben nicht vom pazifistischen Standpunkt 
aus beurteilt. Zunächst fällt schon ins Gewicht, daß namentlich auf der zweiten 
Friedenskonferenz Staaten aus allen Weltteilen vertreten waren und dadurch der 
Umfang der völkerrechtlichen Gemeinschaft sehr deutlich zum Ausdruck kam, wenn es 
auch zweifelhaft erscheinen mag, ob die Beteiligung von Siam, Haiti, Kuba und manchen 
anderen mittel- und südamerikanischen Staatswesen an solchen Konferenzen für die 
Fortbildung des Bölkerrechts von beson-derem Vorteile ist. 
Anlangend sodann die Ergebnisse der beiden Konferenzen, so haben dieselben aller- 
dings den Erfolg nicht gehabt, auf den die Friedensschwärmer beim Zusammentritte 
der ersten Konferenz hofften; der Krieg ist noch nicht beseitigt und der Eintritt des „ewigen 
Friedens“ in eine noch recht unsichere Zukunft gerückt. Unmittelbar nach Schluß der 
ersten Friedenskonferenz brach der südafrikanische Krieg aus, der mehrere Jahre währte, 
darauf folgte das gewaltige Ringen zwischen Rußland und Zapan um die Vorherrschaft 
in Ostasien. Die jüngste Vergangenheit sah den italienisch-türkischen Krieg um Tripolis 
und den Balkankrieg, der damit endigte, daß die Türken ihren europäüschen Besitz bis auf 
einen kleinen Teil verloren. 
Solange für den einzelnen Staat die Notwendigkeit besteht, seine Rechte und Interessen 
mit Waffengewalt verteidigen zu müssen, kann natürlich von Abrüstung in irgendwelcher 
1) Ullmann, Die Fortbildung des Seekriegsrechts durch die Londoner Deklaration vom 26. Februar 
1909. Jahrbuch des öffentlichen Rechts, Bd. IV (1910).— DHeutsches Weißbuch über die Ergebnmisse der Lon- 
doner Seerechtskonferenz (Akten des Reichstags, 12. Legislaturperiode, Nr. 33). — Vgl. auch den Aufsatz: 
„Das Kauffahrteischiff und seine Labung im Scekrieg“. Nauticus 1909, S. 232fsff. 
2) Selbstverständlich sind die im vorstehenden aufgeführten Entwürfe von Vereinbarungen nur bin- 
bend für diejenigen Staaten, die sie ratifiziert haben. Diese Ratifikation ist keineswegs in bezug auf alle Ab- 
kommen von allen Staaten erfolgt, bei einzelnen Abkommen, wie dem über den Prisenhof, sogar sehr zweifel- 
felhaft. Trotzdem mußten alle diese Abkommen hier erwähnt werden, um zu zeigen, in welcher Richtung 
sich die Tätigkeit der beiden Friedenskonferenzen und der Seerechtskonferenz bewegt hat, zumal zu erwarten 
ist, daß doch die Ratifikation bei den meisten Abkommen erfolgen wird. 
Beurteilung der Ergebnisse der 
beiden Friedenskonferenzen. 
  
  
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