Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Erster Band. (1)

  
  
26 Seemacht und Kriegeflotte. IV. Buch. 
Zör im Volke Geltung zu verschaffen, war die politische Borbedingung für Durchbringung 
des Flottengesetzes. Wir dürfen dabei aber nicht vergessen, wie schwierig es gewesen ist, 
auch vom militärisch-technischen Standpunkt aus die Grundlage für dieses Gesetz zu 
schaffen und die Gewähr dafür zu übernehmen, daß die Schiffe, die man bauen wollte, 
und ihre Besatzungen richtig für den Krieg vorbereitet werden würden und richtig geführt, 
wenn einmal die Stunde der Entscheidung kommen sollte. Um diese Schwierigkeiten 
zu erkennen, ist es unerläßlich, kurz zurückzuschauen auf die Entwicklung der Kriegsflotten 
in der Periode, die dem Regierungsantritt Wilhelms II. vorhergegangen ist. 
Entwickelung der * Krimkrieg bn die * 
natkanonen gegen die unge en Schiffe alter ge- 
Kriegeflotte vor 1888. zeigt, zugleich aber in schwimmenden, gepanzerten Batte- 
rien, die gegen russische Küstenbefestigungen mit Erfolg fochten, ein Mittel geschaffen, 
um diesem Abelstande zu begegnen. Man begann, auch große seegehende Schiffe durch 
Panzerung zu schützen und es schien, als ob der Panzerfregatte mit der Artillerie als 
Einheitswaffe die Zukunft gehöre. Da brachte der amerikanische Sezessionskrieg weitere 
Neuerungen. Mine und Torpedoboot in ihrer primitivsten Form entstanden, neben 
das seegehende Panzerschiff trat der kleine Monitor, der in den Fluß- und Küstenkämpfen 
dieses Krieges gute Verwendung fand, zugleich aber in dem Nammsporn eine weitere 
neue Waffe brachte, der auch das mächtigste Panzerschiff damaliger Zeit nicht zu wider- 
stehen vermochte. Dies wurde der staunenden Welt 1866 vor Augen gestellt, als in der 
Schlacht bei Lissa der Rammstoß des „Erzherzog Ferdinand Max“ das italienische Ad- 
miralschiff in wenigen Minuten auf den Grund des Meeres sinken ließ. 
Eine gänzliche Anderung der bisherigen Anschauungen über den Schiffstyp und die 
Taktik des Seekampfes war die Folge. Die Oreiteilung der Waffen — Geschütz, Namme 
und Torpedo — schien für jede von ihnen einen Spezialtyp zu fordern, der Einheitlichkeit 
der bisherigen Artillerietaktik mit ihrem Kampf in geschlossener Formation trat das Be- 
dürfnis entgegen, die Ordnung zu lösen, sobald der Kampf beginne, damit die neuen 
Nahwaffen, Sporn und Torpedo, die Freiheit der Bewegung bekämen, die ihre Anwen- 
dung verlangte. Ihnen gegenüber erschien es aber als ein kostspieliges Experiment, 
weiter große, teuere Panzerschiffe zu bauen, die dem Rammschiff und dem Torpedoboot 
doch zum Opfer fallen müßten. Die Zeit der Spezialschiffe schien angebrochen, 
das Panzerschiff wollte man zum alten Eisen werfen, und das neue Bild des 
Seekrieges schien vollständig zu sein, als Frankreich, damals beinahe der einzige Gegner 
des seebeherrschenden Englands, den Bau von Panzerschiffen einstellte und behauptete, 
mit schnellen Panzerkreuzern den Seehandel des Feindes auf allen Meeren vernichten 
zu können, ohne daß die schwerfällige gepanzerte Schlachtflotte es zu hindern vermöge. 
Neben diesen Angriff sollte nur ein wirksamer Küstenschutz treten, der den Hafensperren 
aller Art, den Küstenwerken, Torpedobooten und kleinen gepanzerten Fahrzeugen über- 
tragen werden könne. 
Eine eigentliche Taktik des Flottenkampfes konnte in solcher Zeit nicht entstehen, und 
sie hat es damals auch nicht gegeben. Wie sollte aber das Schiff beschaffen sein, das dazu 
  
  
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