4 Die Kolonien. V. Buch.
unabhängige Absatzmärkte für unsere erstarkte und zu den größten Hoffnungen berech-
tigende Industrie und unseren gewaltig wachsenden Handel ein dringendes Bedürfnis
seien, und daß wir Neulandes für die sich gerade damals massenhaft nach dem Ausland
wendenden und unserem Volkstum über kurz oder lang verloren gehenden ODeutschen
Auswanderer benötigten.
J.
Militärpolitische Okkupation der Schutzgebiete.
Wirtschaftliche Bersuche.
Das erwachende Znteresse erfaßte
weitere Kreise, als die glänzende Nie-
derwerfung des Araberaufstandes in Ostafrika durch Hermann v. Wißmann und seine
tapferen Offiziere mit der von ihm in kürzester Zeit geschaffenen und vorzüglich ausgebil-
deten Sudanesen-, Zulu- und Landeseingeborenen-Truppe, von unserer Marine tatkräftig
unterstützt, in der Heimat bekannt wurde. So war unsere Kolonialpolitik auf dem besten
Wege volkstümlich zu werden, als Fürst Bismarck den Schauplatz seiner Taten verließ.
Es zeigte sich bald, daß sein Nachfolger, woraus er selbst kein Hehl machte, unseren über-
seeischen Besitz nicht nur sehr gering einschätzte, sondern für geradezu bedenklich hielt, weil
er uns in Mißhelligkeiten mit anderen Nationen, namentlich mit England, bringen könnte.
Wirkte diese Haltung des ersten Beamten des Reiches schon an sich sehr abkühlend,
so hatte der Zanzibarvertrag vom 1. Juli 1890, der uns die für unsere Küstenverteidi-
gung und als Stützpunkt für unsere Untersee- und Torpedoboots-Flottillen wichtige
Insel Helgoland einbrachte, eine ungeheure Niede##geschlagenheit aller kolonialfreund-
lichen Kreise zur Folge. Fast noch böseres Blut, als der Verzicht auf Zanzibar und
größere Gebiete im ostafrikanischen Hinterlande, machte die für das Ansehen des Deutschen
Reiches höchst betrübende und von den Eingeborenen geradezu als Treulosigkeit betrach-
tete Aufgabe der kurz zuvor feierlich erklärten Schutzherrschaft über das Sultanat Witu.
Die ungünstigen Nebenabreden über die Oranjeflußgrenze in Südwestafrika, die uns im
letzten Aufstande so viel Geld gekostet und durch die unsere Truppen so schwer zu leiden
gehabt haben, über die Voltagrenze in Togo und den Erwerb des sog. Kaprivizipfels
unter Aufgabe unserer Ansprüche am Gnamisee verstärkten die Uberzeugung, daß der
Vertrag ohne rechtzeitige und genügende Hinzuziehung kolonialer Sachverständiger ge-
schlossen sei, und daß hier unsere junge koloniale Sache für die allgemeine Politik habe
bluten müssen. Die Unzufriedenheit steigerte sich noch, als die erfahrenen Afrikaner Wiß-
mann und Peters nach Deutschland zurückkehrten und mit ihrer Meinung über die Schwäche
des Abkommens nicht zurückhielten.
Der Zanzibarvertrag und seine Folgen.
Kolonialgesellschaft. Nach der hierdurch hervorgerufenen großen Erregung blieb
die Reaktion nicht aus; Verbitterung und Gleichgültigkeit
waren die Folge, so daß bald als Träger des kolonialen Gedankens fast nur noch die Kreise
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