Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Erster Band. (1)

  
V. Buch. Die Kolonien. 5 
  
in Betracht kamen, die sich um die damals an Mitgliederzahl noch kleine deutsche 
Kolonialgesellschaft scharten. 
Reichstag. Vom ODeutschen Reichstage waren damals nur mit großer Mühe die 
— allernotwendigsten Gelder für die Okkupation und Befriedung unserer 
überseeischen Besitzungen und zur ersten Einrichtung einer Verwaltung in den beruhigten 
Landesteilen zu erlangen, während für Verkehre- und wirtschaftliche Zwecke in irgendwie 
erheblicherer Höhe Reichsmittel nicht zu haben waren. Im Gegensatz zu heute standen die 
Linksliberalen unter Richters Führung der Kolonialpolitik noch gänzlich ablehnend gegen- 
über; das Zentrum betrachtete sie mit wenigen Ausnahmen nur unter dem Gesichtswinkel 
der Heidenmissionierung; die Konservativen, bei deren Parteifreunden Peters 1884 für 
seine kühnen afrikanischen Pläne in besonderem Maße Verständnis und Unterstützung ge- 
funden hatte, versagten zwar nie, wenn es sich um die zur Behauptung unseres Kolonial- 
besitzes erforderliche politische oder militärische Machtentfaltung handelte, aber den wirt- 
schaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten stand damals noch mancher von ihnen sehr skeptisch 
gegenüber, so daß überzeugte Anhänger einer kräftigen, mit großen Mitteln zu betreiben- 
den Kolonialpolitik fast nur in den Reihen der nationalliberalen und freikonservativen 
Abgeordneten zu finden waren. 
Kolonlalabteilung. Die Verwaltung der Kolonien war im ZJahre 1890 einer 
Kolonlalrat. neugebildeten Abteilung des Auswärtigen Amtes 
(Kolonial-Abteilung) übertragen, die in allen eigentlichen 
Kolonialangelegenheiten dem Reichskanzler direkt unterstehen sollte. Um ihre Stellung 
zu stärken und ihr den Rat kolonial bewanderter Männer zugänglich zu machen, wurde 
als sachverständiger Beirat ein Kolonialrat errichtet, in dem neben anderen vom Reichs- 
kanzler berufenen Mitgliedern die in den Schutzgebieten tätigen Kolonialgesellschaften 
vertreten waren. Ihm wurden alle wichtigen Angelegenheiten, seit 1892 vor allem auch 
die Etats der Schutzgebiete, zur Begutachtung vorgelegt. 
  
  
Angesichts der zu geringen militärischen Machtmittel ging die 
dieser Epoche den Stempel aufdrückende Okkupation unserer 
Schutzgebiete nur sehr langsam und nicht ohne mannigfache Nückschläge vonstatten. 
In den drei großen afrikanischen Kolonien hatten die Schutztruppen, welche Anfang 
der neunziger Jahre in Kaiserliche umgewandelt waren, und neben denen zum Teil für 
die rein polizeilichen Aufgaben besondere Polizeitruppen errichtet wurden, schwere 
Kämpfe zu bestehen. 
Zu Ostafrika galt es auch damals noch, dem durch die Niederwerfung des Araber-- 
aufstandes noch nicht ausgerotteten Unwesen der Sklaven-Zäger und Händler energisch 
zu steuern, von deren Schreckensherrschaft man einen Begriff bekommt, wenn man sich 
vergegenwärtigt, daß nach englischen Berichten in den 60er Jahren vor der deutschen 
Besitzergreifung allein von unserem Südhafen Kilwa in einem Jahr 18 000 Sklaven 
ausgeführt worden sind, wobei man rechnen muß, daß mindestens die 2—§fache Zahl 
Kolonialkriege. 
  
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