V. Buch. Die Kolonien. 11
Dementsprechend war auch die Finanzlage der Schutzgebiete, die
durch Verabschiedung des Schutzgebiets-Etats-Gesetzes vom Jahre 1892,
nach welchem alle Einnahmen und Ausgaben für jedes Jahr veranschlagt und auf den durch
Gesetz festzustellenden Etat der Schutzgebiete zu bringen sind, selbständige Rechtssubjekte ge-
worden waren, in dieser Epoche nichts weniger als günstig. Nicht nur daß die Kosten der
Militärverwaltung ganz vom Reiche getragen werden mußten, auch die Zivilverwaltung er-
forderte in den 3 großen Kolonien erhebliche Zuschüsse; in Südwestafrika fiel sie sogar fast
ganz dem Reiche zur Last, und nur die Kolonie Togo kam mit einem geringen Reichszuschuß
aus. Abgesehen von den nicht sehr ins Gewicht fallenden allgemeinen Verwaltungsabgaben
bestanden die Einnahmender golltechnisch als Ausland geltenden Schutzgebiete aus Eingangs-
zöllen, neben denen in einzelnen Kolonien Produkte des Eingeborenen-Handels mit Aus-
fuhrzöllen belegt waren, während vonden Plantagenprodukten keine Zölle erhoben wurden.
Finanzen.
Durch das heimische Kapital wurde die Entwicklung der
Kolonien in jener Zeit nicht wesentlich gefördert. Ursprünglich
nicht abgeneigt, sich daselbst zu betätigen, wurde es durch mancherlei Enttäuschungen mate-
rieller und ideeller Natur immer zurückhaltender, so daß in den neunziger Jahren selbst
zu den ungemein weitgehenden Land- und Bergwerksgesellschaften in Kamerun und
Südwestafrika ausländisches Kapital herangezogen werden mußte, da einheimisches nicht
in genügender Weise zu haben war, das man lieber in zweifelhaften exotischen Papieren,
als in unseren Kolonien anlegte.
Kapitalbeteiligung.
Verkehremittel. Dasselbe für den Bau von Eisenbahnen flüssig zu machen,
mißlang vollends. Das Großkapital hatte nicht genügend Ver-
trauen zu der Entwickelung der Schutzgebiete, der Reichtstag nicht hinreichend Verständnis
für die Bedeutung der Erschließung derselben durch Schienenwege. Auch die Regierung
betrieb diese Lebensfrage aller Neuländer nicht energisch genug. So kroch unsere erste und
damals einzige Kolonialbahn im Norden Ostafrikas langsam von der Küste 40 km vorwärts,
während die Engländer uns schnell überflügelten, indem sie mit bewundernswerter Tatkraft
von dem unmittelbar nördlich von Tanga liegenden Hafen Mombassa in kurzer Zeit einen
weit später begonnenen Schienenweg nach dem Biktoriasee legten und auf ihn die ganzen
deutschen Produkte der Randländer des Seen- sowie des Kilimandjaro- und Merugebietes
leiteten, ein vom deutschnationalen Standpunkte aus höchst bedauerlicher Zustand. In-
zwischen suchte man dem dringendsten Bedürfnisse des Berkehrs durch Neuanlage und
Ausbau von Wegen, für die im Laufe der Zahre größere Mittel und viel Arbeit aufge-
wendet worden sind, so gut wie möglich Rechnung zu tragen.
Günstiger, als innerhalb der Kolonien gestaltete sich die Berkehrsfrage zwi-
schen Heimat und Schutzgebieten, indem die die Verbindung mit den westafrikani-
schen Kolonien aufrechterhaltende Woermannlinie mehr ausgebaut, für die Ostküste unter
Führung der Gebrüder Woermann eine vom Reiche subventionierte neue Linie errichtet,
und auch mit Südwestafrika eine Schiffsverbindung durch Dampfer dieser Hamburger
Reederei ins Leben gerufen wurde.
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