Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Erster Band. (1)

  
12 Die Kolonien. V. Buch. 
  
Unbefriedigende Gesamt- Wenn auch in den Schutzgebieten im einzelnen treu 
und tüchtig gearbeitet wurde, so war die Gesamt-- 
entwickelung in dieser Periode doch schleppend und 
unbefriedigend. Dies Gefühl machte sich draußen in Klagen über die Verwaltung, die man 
bier des Assessorismus, dort des Militarismus beschuldigte, Luft. Vor allem wurde bean- 
standet, daß die Beamten zu häufig wechselten und nicht genügend Znteresse und Verständ- 
nis den wirtschaftlichen Fragen entgegenbrächten. Schlimmer als dies war aber wohl, daß 
das richtige Zusammenarbeiten zwischen der Zentrale in Berlin und den Schutzgebieten 
fehlte. Bom Chef der Kolonialverwaltung abwärts kannte fast niemand unsere über- 
seeischen Besitzungen aus eigener Anschauung, geschweige denn, daß jemand in denselben 
selbst tätig gewesen war. Trotzdem war die Neigung, von Berlin aus zu regieren, groß. 
So kam es denn, daß oft in Berlin und im Schutzgebiet entgegengesetzte Anschauungen 
vertreten wurden. Da man nicht das Bestreben hatte, frisches Blut und praktische Kolo- 
nialerfahrung nach Berlin zu ziehen, so bildeten sich gewissermaßen zwei Kategorien 
von Beamten: beimische, welche die Kolonien nicht kannten, und draußen tätige, denen 
wiederum die Schwierigkeiten unbekannt waren, mit denen die beimische Behörde in 
und außer dem Parlament zu kämpfen hatte. Diese Verhältnisse erschwerten naturgemäß 
bei den wenigen, welche sich überhaupt noch für die Kolonien interessierten, die Einholung 
zuverlässiger Informationen über die wirtschaftlichen, namentlich die landwirtschaft- 
lichen, Verhältnisse. Dies mußte die Entwickelung um so ungünstiger beeinflussen, als 
die Reigung zur Beteiligung an Unternehmungen, die auf eine Vermehrung der Pro- 
duktion hinzielten, an sich schon sehr gering war. 
  
entwickelung. 
  
Pessimismus. Verdienste der erte- arnebenrelsgeen n de- 
essimismus unzweifelhaft die deut- 
beutschen Kolonialgesellschaft. c Kolontalgesellschaft und ihr Präsident 
Herzog ZJohann Albrecht zu Mecklenburg-Schwerin, der dem bewährten ersten Präsidenten 
Fürsten Hohenlohe-Langenburg gefolgt war, das große Verdienst erworben, das schlum- 
mernde Interesse immer wieder neu zu beleben und den kolonialen Weckruf erschallen zu 
lassen. Gar mancher aus den Kolonien heimkehrende Farmer und Pflanzer, aber auch man- 
cher Offizier und Beamter, der durch den Gang unserer Kolonialpolitik schwer niedergedrückt 
war, wurde durch das Verständnis und Interesse, das er dort fand, wieder aufgerichtet und 
mit neuer Arbeitslust beseelt. Besonders stark ausgeprägt war in den Kreisen der Kolonial- 
gesellschaft neben der Abneigung gegen die großen Konzessionen der Wunsch, die wirt- 
schaftliche Erschließung mit allen Kräften zu fördern. 
  
  
So fand ein Industrieller, der Fabrikbesitzer Karl 
Supf, einen wohlvorbereiteten Boden, als er im Zahre 
1896 die Anregung zur Gründung eines Kolonial- 
wirtschaftlichen Komitees in Berlin gab, die alsbald mit dem ausgesprochenen Zweck 
vollzogen wurde, die wirtschaftliche Erschließung unserer Kolonien auf wissenschaftlicher 
Grundlage zu betreiben und so die heimische Volkswirtschaft durch die Kolonialwirt- 
Gründung des Kolonial- 
wirtschaftlichen Komitees. 
  
  
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