Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Erster Band. (1)

  
V. Buch. Oie Kolonien. 27 
  
Biehwirtschaft, die naturgemäß nur langsam fortschreiten konnte, sondern auf dem 
des Bergbaues. Nach Fertigstellung der inzwischen verstaatlichten Bahn Swakop- 
mund—XTsumeb hatte die Otavi-Minen- und Eisenbahngesellschaft mit der Kupfer- 
förderung auf der Tsumeber Mine energisch begonnen, zugleich aber auch eine Anzahl 
kleinerer Gruben im Otavital in Angriff genommen, aus denen insgesamt bis zum 
31. März d. J. 184 500 t Exporterze verschifft worden waren. Ebenso wurden von ande- 
ren Gesellschaften und Firmen Untersuchungs- und Aufschließungsarbeiten im Kahnfluß 
und bei Okahandja vorgenommen. Von größter Wichtigkeit für das Schutzgebiet wurde 
aber die Auffindung von Diamanten in der Namib bei dem Südhafen Lüderitz- 
bucht im Jahre 1908. Das Diamantgebiet wurde für die Kolonialgesellschaft für Süd- 
westafrika unter Außerkraftsetzung des kurz zuvor geschlossenen sog. Bergrezesses ge- 
sperrt, eine Maßnahme, welche vielfach angegriffen wurde und bei endgültiger vertrags- 
mäßiger Regelung der Angelegenheit im Frühjahr 1910 zu scharfen Auseinandersetzungen 
zwischen den Mineninteressenten im Schutzgebiete, die eine starke Stütze an einfluß- 
reichen Parteien im Reichstage fanden, und der Kolonialverwaltung führte. Durch 
hohe Abgaben, die vor allem in einem inzwischen in eine die Förderung günstig beein- 
flussende Nettoertragssteuer umgewandelten Bruttowertzoll von 331½/29 bestanden, 
wurde dem Fiskus eine erhebliche Einnahme aus den Oiamanten gesichert, zu deren 
Verwertung in Deutschland eine Diamantenregie errichtet worden ist, in deren Auf- 
sichtsrat seit 1911 durch die Minenkammer in Lüderitzbucht präsentierte Vertreter der 
Förderer Sitz und Stimme haben. Die Zahl der letzteren ist inzwischen auf die Hälfte 
der Mitglieder des Aufsichtsrates erhöht. Ebenso befindet sich das Kapital der Regie 
zurzeit zur Hälfte in den Händen der Förderer einschließlich des Fiskus. 
Die weitere gedeihliche wirtschaftliche Entwickelung unserer Kolonien hängt wesent- 
lich von der Förderung der für Handel, Industrie und Landwirtschaft wichtigen Ein- 
geborenen-Kulturen und der Ausdehnung der Plantagenbetriebe ab. Letztere 
ist eng verknüpft mit der Investierung Deutschen Kapitals und der Lösung der Arbeiter- 
frage, welche in Kiautschau und Togo günstig, in Ostafrika und Neuguinea erträglich, 
für die übrigen Kolonien aber mehr oder weniger brennend ist. Am akutesten ist sie in 
Samoa, wo die Europäer ganz auf Arbeiterbezug von auswärts, der sich in den letzten 
Jahren überaus schwierig gestaltet hat, angewiesen sind; nicht viel besser steht es zurzeit 
in Kamerun, desgleichen in Südwestafrika, wo es darauf ankommt, ob es gelingt, die 
Ovambos in größerer Zahl, als bisher zur Arbeit heranzuziehen. Leider hat sich das 
Deutsche Kapital in letzter Zeit wieder zurückhaltender gezeigt, trotzdem eine Anzahl von 
kolonialen Erwerbsgesellschaften sich günstig entwickelt und recht gute Abschlüsse gehabt 
hat, dementsprechend auch höhere Dividenden zahlte. Aicht ganz ohne Einfluß dürfte 
bier die Arbeiterfrage sein, sowie die Nachwirkung einer Reihe früherer ungesunder 
Gründungen und verlustreicher Sanierungen. « 
DieallgemeineAufwärtsbewegünginderEntwick- 
lung der Kolonien findet auch in der Handelsstatistik 
ihren Ausdruck. Mit der vermehrten Kaufkraft der Eingeborenen in den tropischen 
Handelsbewegung. 
  
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