Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Vierter Band. (4)

  
316 1 Oie landwirtschaftlichen Wissenschaften. X. Buch. 
Das andere neu hinzugekommene Düngemittel liefern, wie schon er- 
wähnt, die Abraumfsalze der Salzbergwerke. Auch diese wurden 
bei der Gewinnung des Steinsalzes als eine lästige Deckschicht angesehen, die erst mühsam 
durchbrochen und beseitigt werden mußte, ehe man zu dem zunächst allein wertvollen Koch- 
salz in den Bergwerken kam. Auch hier hat sich das Bild durch die Entdeckung des Dünger- 
wertes vollständig verschoben. Als man einsah, daß ebenfalls für leichtere, wie auch für 
starkhumose oder moorige Böden erst eine genügende Düngung mit Kali die volle 
landwirtschaftliche Ertragsfähigkeit hervorrufen konnte, ergab sich der hohe Wert dieser 
Abraumsalze. Die Erkenntnis ihrer Bedeutung ist allmählich in immer weitere land- 
wirtschaftliche Kreise und in neue Länder gedrungen und hat damit zu einer Anwendung 
der Kalisalze in der Landwirtschaft geführt, die an wirtschaftlicher Bedeutung die Ge- 
winnung des Kochsalzes bei weitem überragt. Man kann jetzt sagen, daß die Gewinnung 
des letzteren in den meisten Salzbergwerken fast nur noch eine nebensächliche Aufgabe 
ist, während die Gewinnung der früher lästigen Kalisalze zum Hauptbetriebszweige ge- 
worden ist. Als man nun nach voller Aufklärung über den Wert der Kalisalze das Auf- 
suchen derselben immer gründlicher betrieb, zeigte sich die ungeheuer wichtige Tatsache, 
daß größere ausbeutungsfähige Lager von Kali ganz allein in Norddeutschland zu 
finden sind. Die Grenzen umfassen ungefähr das ganze Gebiet und reichen nur in Loth- 
ringen und Holland wenig über dieses hinaus, sind aber im übrigen sowohl von der 
Ostsee- bis fast zur Mainlinie und vom Westen bis zum Osten zu finden. Diese Kalisalze 
stellen daher ein einzigartiges Gut des norddeutschen Gebietes dar, in dessen Lieferung 
kein anderes Wirtschaftsgebiet der Erde konkurrieren kann. Unabhängig von dieser Tat- 
sache ist aber zuerst in Norddeutschland der landwirtschaftliche Wert des Kalis als 
Düngemittel erkannt und wissenschaftlich begründet worden, und man muß gerade in 
bezug auf das Kali vom landwirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Gesichtspunkte aus 
die letzte hier behandelte Entwicklungsperiode des Wirtschaftslebens als 
hervorragend bedeutsam bezeichnen. 
Kalisalze. 
Auch auf dem Gebiete der Stickstoffdüngung hat 
die neuere Zeit einige Fortschritte erzielt, zunächst in 
der Hinsicht, daß man erkannt hat, wie bei allen sogenannten trockenen Destilla- 
tionen, z. B. bei der Herstellung von Koks und Holzkohle, beträchtliche Mengen von 
Stickstoff imn Form von Ammoniak gasförmig entweichen. Bei der Herstellung von 
Leuchtgas unter Gewinnung von Koks als Nebenprodukt aus Steinkohle hat man 
zwar auch früher, wenn auch in geringerem Maße, das Ammoniak durch Schwefel- 
säure aufgefangen und das Produkt, das schwefelsaure Ammoniak, als Düngemittel 
verwendet. Diese Gewinnung ist aber in der neueren Zeit beträchtlich gestiegen, und 
es ist jetzt das Streben als berechtigt und unbedingt notwendig erkannt, nach Mög- 
lichkeit so gut wie keine Verbrennung oder DOestillation vor sich gehen zu lassen, 
bei der nicht der Stickstoff als schwefelsaures Ammoniak gewonnen wird. Da in 
allen unseren für gewöhnlich verwendeten Verbrennungs- und Heiezstoffen, speziell in 
allen Kohlen- und Holzarten, beträchtliche Mengen Stickstoff enthalten sind, so ist auch 
Stickstoff: Ammoniak. 
  
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