Full text: Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft. Neunter Band. Jahrgang 1853. (9)

vor Aristoteles und Platon. 417 
ihrem geistigen Leben das Resultat einer machtvoll arbeitenden 
Geschichte sind, wenn es wahr ist, dass wir sie nur dann ganz 
verstehen, wenn wir sie als Schlusspunkt und höchsten geistigen 
Ausdruck der Geschichte betrachten die ihnen vorhergeht, so 
wird es allerdings nothwendig für den Lernenden, neben oder 
wenn man will vor demjenigen, was diese Männer selbst gegeben 
haben und gewesen sind, sich geistig auch den Boden auf dem 
sie erwuchsen, die Voraussetzungen die sie vorfanden, die Gegner 
mit denen sie zu kämpfen hatten, zur Anschauung zu bringen. 
Das Verständniss des Platon und Aristoteles wird dann etwas 
höheres als das blosse Verständniss ihrer Hauptwerke; es: wird 
zum. Verständniss des Geistes der Zeit, welche solche Gedanken 
erzeugen konnte, und welche ihrer bedurft hat, eben weil sie 
sie erzeugte. Wir werden alsdann von diesem Standpunkte aus 
weder bei Platon noch bei Aristoteles stehen bleiben können: wir 
werden sie als die Blüthe ihrer Zeit betrachten, aber ebendess- 
halb mit der Blüthe nicht das ganze Leben erschöpft sehen; wir 
werden in ihnen nicht wie bisher bloss Philosophen und Gelehrte 
sondern Männer die mitten in der geistigen Bewegung ihrer 
Zeit standen, anerkennen, und das ist eine Arbeit für jeden, der 
sie so verstehen will. Aber eine unerlässliche. 
Wir sind in dieser Beziehung wohl im Allgemeinen schon 
von der Auffassungsweise zurückgekommen, die im Anfang der 
Geschichte der Wissenschaft in ganz natürlicher Art sich fast 
ausschliessliche Geltung verschaffte. Es war durchaus in der 
Ordnung, dass man im Anfang sich zunächst an die grossen 
Thatsachen der Geschichte des menschlichen Geistes wandte, die 
weit über das Gewöhnliche hervorragend, dem Gewöhnlichen 
selbst, zwischen dem sie standen, einen höhern Charakter gaben. 
Diese Thatsachen waren eben die Arbeiten und das Leben der 
grossen Männer aller Wissenschaften, die wie Merk- und Wege- 
zeichen den Weg darlegten, den der menschliche Geist durch 
die Jahrhunderte zurücklegte. Sie mussten erst durchaus fest- 
‚stehen, ehe man Maass und Werth der Erscheinungen, die zwischen 
ihnen liegen, in Anschlag bringen konnte; sie schienen eben- 
desshalb im Anfange allein der eingehenden Beachtung, ja des 
Studiums eines ganzen Menschenlebens werih. Und so hat sich
	        
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