Full text: Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft. Neunter Band. Jahrgang 1853. (9)

430 Die staatswissenschaftliche Theorie der Griechen 
es schon an einem andern Orte seine genauere Bestätigung ge- 
funden hat, hier einfach anführen. Es ist das Gesetz, dass alle 
Verfassungs- und Verwaltungsformen eines Staates den Ausdruck 
der gesellschaftlichen Ordnung und der gesellschaft- 
lichen Geschichte eines Volkes bilden. Wir :werden im 
Folgenden Gelegenheit haben, die Gültigkeit dieses Gesetzes an 
dem glänzenden Beispiele zu zeigen, das Griechenland dafür bietet. 
Derjenige Punkt in der Geschichte Griechenlands, auf wel- 
chem sich das Geschichtliche vom Mythus trennt, wird durch 
eine Erscheinung gegeben, die Griechenland mit allen Ländern 
Europas gemein hat. Das ist das Hereinbrechen eines wandern- 
den Stammes, der Dorier, die allenthalben die ansässigen Stämme 
unterwarfen, sich, wie bei allen andern Volkswanderungen, die 
besten Theile des Grundbesitzes als ihr Sondereigenthum heraus- 
nahmen, die alten Insassen des Landes zu Dienst und Zins 
zwangen, die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten für sich 
allein behielten und auf diese Weise die Grundlage einer neuen 
Gesellschaftsbildung in der herrschenden Classe der 
grossen Grundbesitzer abgaben. 
Die Athener nun rühmten sich, Aulochtihonen zu sein. Das 
hiess gegenüber jener dorischen Eroberung offenbar nichts an- 
deres, als dass sie eine solche Eroberung von Seiten der Dorier 
nie erlebt hatten. Mochte das nun daran liegen, dass sich hier die 
gewöhnliche Erscheinung solcher Volkszüge wiederholte, die fast 
immer die abseits gelegenen Gebiete nicht berühren, sondern 
gerade ausstürmen, bis ihnen das Meer oder ein anderer stärkerer 
Volksstamm einen Damm entgegensetzt, oder mochten die atlischen 
Stämme den Zugang nach Altika bewahrt haben, jedenfalls blieb 
die Eine grosse Thatsache bestehen, dass in Altika die Ver- 
theilung des Grundbesitzes nicht auf der Eroberung beruhte; 
eine Thatsache, von welcher die ganze Geschichte der Gesell- 
schaftsordnung in Athen bestimmt werden musste. 
Gewiss ging nun später der Gedanke des Theseus, oder des 
ersten Gesetzgebers in Altika nur dahin, aus den einzelnen Dörfern 
oder kleinen Gauen, die im Grunde, wie schon Thucydides das 
wusste, weder Sicherheit noch Grösse geben, einen gemeinschaft- 
lichen Gau mit einem Hauptdorf zu bilden, in welchem Versamm-
	        
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