Full text: Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft. Neunter Band. Jahrgang 1853. (9)

1423 Die staatswissenschaftliche Theorie der Griechen 
Alhen. Wir wiederholen hier nicht, was wohl allgemein bekannt 
sein wird, wie der Feind noihwendig, wenn er besiegt war, 
als Sklave angesehen und eventuell verkauft ward, und wie Beute 
theils den Feldherrn, theils den Kriegern zufiel. Jede Seite der 
Geschichte des peloponnesischen Krieges bietet dafür Beispiele. 
Doch war das nicht die Haupisache. Diese bestand vielmehr 
darin, dass der siegende Staat das Land in Besitz nahm, es in 
Loose vertheilte, und dann den Bürgern es übergab. Wie lockend 
war es nun nicht, einen Krieg zu beginnen, um an Beute und 
xA3;00: einen Antheil zu haben? Und wie trefflich stimmte jener, 
dem wilden Zustand entlehnte Satz, den man den Persern zum 
Vorwurf machte, mit dem Bedürfniss des freien Bürgers nach 
einem Grundstück auf den Inseln, in Kleinasien, am Hellespont 
oder sonstwo? War es doch eben diese Hoffnung auf Beute, 
welche den unversländigen Feldzug gegen Sicilien unternehmen 
liess trotz der Mahnung des bedächtigen Nikias. Und so eifrig 
war man, wenn es sich um die Möglichkeit einer Kleruchie han- 
delte, dass z. B. als Mitylene erobert war, die Volksversammlung 
in Athen zum wüthenden Faustkampf unter sich darüber kam, 
ob man die Mitylenenser nicht alle tödten solle; bis dann nur 
1000 hingerichtet, 3000 Loose gemacht und von diesen nach 
Abzug von 300 für den Staat die übrigen 2700 an die Bürger 
vertheilt wurden, die dann keinesweges nun dahin reisten und 
ihr Land selbst bebauten, sondern die Lesbier gegen den jähr- 
lichen Zins von 2 Minen auf den Grundstücken sitzen liessen !). 
Solche Beispiele finden wir viele, und doch war der zweite Fall fast 
noch schlimmer. Es war die geheime Lust, die Vermögenden aller 
Art, mochten sie sonst so ausgezeichnete Dienste geleistet haben wie 
sie wollten, durch Verurtheilung zu Geldbussenzahlungen zu zwingen, 
Nie alsdann an das Volk vertheilt wurden. Dasselbe Volk aber, 
welches diese Vertheilung empfing, richtete ja in den Heliäen. Es war 
mithin — man verzeihe uns den Ausdruck, aber es war so, und man 
darf das wohl sagen, wenn ein Mann wie Thucydides Zeuge dafür 
ist — ein gutes Geschäft, einen reichen Bürger zu verurtheilen. 
Und das war nicht blos an sich ein Widerspruch mit aller Wahrheit 
1) Thuc. II, 49—50.
	        
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