152 Die staatswissenschaftliche Theorie der Griechen \
verfassungen hineingedrungen war. Man hatle Grund und Folge
des Uebels vor sich, um sich, hinter sich; wie war es möglich,
von dieser Frage, von der Frage ob überall das persönliche
Eigenthum, ob die Ehe, ob das Geld für Volk und Staat
etwas Gutes sei oder nicht, abzusehen ? Es musste nothwendig
und natürlich bei den Griechen alle Philosophie der Gesellschaft
gerade mit dieser Frage anfangen.
Und ebenso verhielt es sich mit der Frage nach den drei
Formen der Verfassungen. Die griechischen Staaten hatten in
kurzer Zeit alle jene Formen durchlebt. Fast keine hatte nicht
wenigstens zwei derselben daheim oder beim Nachbar gesehen.
Man sah ihre Natur um so deutlicher, je enger der Raum war,
auf welchem sich diese Formen bewegten, je leichter jeder Staat
Veranlassung fand, in dieselben, wenn sie bei seinen Nachbarn
entstanden, hineinzugreifen. War es möglich, dass alle jene
Begriffe von Monarchie, Aristokratie, Demokratie, und die ihnen
entsprechenden Gegensätze oder die rıagexßaosıg wie Aristoteles
sie nannte, nicht lange schon jedem griechischen Denker geläufig
sein sollten? Im Gegentheil bildeten gerade sie die Basis der
Zustände im Ganzen, und der Interessen im Einzelnen. Und
so würde es, auch wenn wir gar keine näheren Nachrichten
darüber hätten, mehr als wahrscheinlich sein, dass alle Grund-
begriffe sowohl des Platon als des Aristoteles schon lange vor
ihnen dem griechischem Bewusstsein, und da es eine diesem
Bewusstsein entsprechende Literatur gab, auch der griechischen
Literatur klar ausgearbeitet vorliegen musslen.
Diesen Sätzen nun entspricht dasjenige, was wir wenn auch
nur andeutungsweise, beim Aristoteles finden, doch muss es uns
gestallet sein, zunächst gleichsam den Rahmen für dieses kleine
literargeschichtliche Bild zu geben, so weit die allgemeine Lage
der Dinge und die Nachrichten beim Aristoteles es zulassen.
Wie der Satz im Allgemeinen gilt, dass jede Zeit ihre be-
sondere Grundrichtung in der staatlichen und gesellschaftlichen
Auffassung erzeugt, so gilt nicht weniger im Besonderen, dass
jede Zeit auch ihren eigenthümlichen Gegensatz in der Theorie
hat. Es enthält dieser Gegensatz immer als tiefste Grundlage
wesentlich dasselbe, nämlich die beiden Pole des Gesammtlebens,