Full text: Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft. Neunter Band. Jahrgang 1853. (9)

württembergische Agrarverhältnisse. 235 
kultur vorherrschend. Es giebt Orte, wo Pflüge selten sind. 
Auf den Bergen, „wo der Boden leicht und mager ist und viel 
Dünger bedarf, an dessen Erzeugung es noch fehlt, ist trotz der 
grossen Bodenzerstückelung der Besitz in einigen Orten noch 
zu gross, als dass sie ihn nur mit der Hand bebauen könnten.“ 
Jeder wolle wegen des möglichen Nebenverdienstes durch Fuhr- 
werken mit eigenem Zug bauen; dieser sei aber für eine gute 
Beackerung des Bodens zu schwach und verhältnissmässig zu 
theuer wegen ungenügender Beschäftigung desselben. Die Be- 
wohner des Bezirks haben im Ganzen den. Charakter und die 
Sitten des altwürttembergischen Volks. „Sparsamkeit, Eingezo- 
genheit, Wohlthätigkeit für allgemeine und besondere Zwecke, 
Betriebsamkeit und grosser Fleiss sind namentlich in den Thal- 
orten überwiegend vorherrschend. Dabei sind sie entschieden 
und durchgreifend, religiös gesinnt und, wenn kein Verführer 
hinter sie kommt, der geistlichen und weltlichen Obrigkeit er- 
geben.“ Verfehlungen gegen das Geselz sind nicht häufig‘ mit 
einziger Ausnahme der Waldfrevel, deren freilich die enorme 
Zahl von 10,000 im Jahr von den Forstämtern abgerügt wird: 
Die Nahrung besteht für den weitaus grössten Theil der Be- 
völkerung „in Kartoffeln, Milch und, wenn es gut geht, in 
Knödeln und Brei oder Suppe aus Welschkorn. Fleisch kommt 
viele Monate nicht auf ihren Tisch und auch Brod wird, weil 
die Mehlfrüchte nicht in erforderlicher Menge gebaut werden, 
ziemlich selten genossen. Das gewöhnliche Getränke ist Obst- 
most, und in schlechten Jahren der unverkäufliche Wein; das 
Branntweintrinken nimmt überhand. In Jahren, wo das Obst 
nicht gedeiht, ist Wasser oder Milch auch bei der ansirengend- 
sten Arbeit für die Mehrzahl das einzige Getränk.“ 
So lautet im Allgemeinen das Urtheil des trefflich gearbei- 
teten Berichts über den Bezirk Schorndorf !). Dabei ist aber 
1) Dieser Bezirk gehört zu denjenigen des Neckar- und Remsthales, 
von denen Robert Mohl wegen ihrer Bodenzerstückelung urtheilte, dass 
ihnen nur durch eine heroische Kur geholfen werden könne. Siehe dessen 
Polizeiwissenschaft erste Auflage Il. S. 28. In der zweiten Auflage ist 
der Satz weggeblieben, die ausgesprochene Ansicht aber nicht minder wahr.
	        
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