496 Völkerrechtliche Lehre
sächlich nur durch Schlüsse aus ihren Entscheidungen einzelner
untergeordneter Fragen abnehmen kann; wobei denn freilich
ganz folgerichliges Denken vorausgeselzt ist. Diese Ansichten
sind denn nun aber water sich keineswegs gleich.
Auf der einen Seite finden sich nämlich Solche, von welchen
angenommen werden muss, dass sie dem Staate eine weitere Aufgabe
stellen, als blos die Sorge für die eigene Sicherheit. So ist, um nur
einige der Neueren zu nennen, Schmelzing, Europ. Völker-
recht, Bd. I, S. 188 und 195, zwar der Meinung, dass die Staats-
gewalt nur innerhalb des Staatsgebietes wirksam (?), und daher
keinerlei Art von Jurisdiclion. im Auslande erlaubt sei; er gieht
aber doch einem in seinem Rechte verletzten Staate das Recht,
Genugthuung im Auslande zu fordern, welche zu gewähren sei,
wenn nicht etwa besondere politische oder feindselige Beziehun-
gen eine Ausnahme begründen. Mag diess nun auch unklar und
unrichlig sein, so gehl doch jeden Falles daraus die Anerken-
nung des Satzes hervor, dass der Staat, wenigstens in gewissen
Fällen, zur Herstellung der Rechtsordnung verpflichtet sei, auch
wenn er selbst zunächst keine Störung erlitten habe. Wenn
ferner Saalfeld, Handbuch des posit. Völkerrechles, S. 80, er-
klärt, dass der Staat zwar nicht verpflichtet sei, die im Auslande
‚begangenen Verbrechen zu bestrafen, namentlich wenn von
Fremden begangen; dass er aber ein Recht dazu habe, sowohl
wenn er den Fall in seinen Geselzen vorgesehen, als auf An-
suchen eines fremden Staates, besonders bei Staatsverbrechern:
so ist zwar auch hier offenbar Verwirrung und Gedankenlosig-
keit; allein es steht jedenfalls die Ansicht fest, der Staat habe die
Befugniss, für Rechtsordnung ausserhalb seiner eigenen unmil-
telbaren Betheiligung bei der Verletzung zu sorgen. Endlich
können alle Diejenigen, welche dem Staute das Recht und die
Pflicht beilegen (und nicht blos die Klugheitsforderung an ihn
stellen ), seine einzelnen Angehörigen wegen der Verletzung
fremder Staaten und deren Bürger zu bestrafen, diesen Salz
schliesslich auf keine andere rechtliche Grundlage stellen, als
auf eine Forderung an den Staat, Unrecht, auch wenn es ihn
nicht selbst betrifft, zu hindern. Dass diess nicht klar einge-
sehen und offen ausgesprochen zu sein pflegt, ist zwar richlig ;