514 Völkerrechtliche Lehre
Rechtszustandes nach Kräflen beizutragen; theils schon an sich,
weil die Vernunft einen solchen fordere, theils weil er praktisch
die nothwendige Bedingung der Erreichung alles "körperlichen
und geistigen Guten sei. Auf diese Gıündlage wird denn auch an
den Staat, als an einen Verein von vernünfligen Menschen zu
gemeinschaftlicher Erreichung ihrer Lebenszwecke, das Ansinnen
gestellt, mit seinen grösseren Kräften das ihm in dieser Richtung
Mögliche zu bewerkstelligen. Dieses Mögliche aber besteht nun
eben darin, dass der Staat nicht blos für den eigenen Kreis und
in demselben das Recht fördert und schützt, sondern auch ausser-
halb desselben wirkt, so weit man seiner bedarf, und er nicht
auf ein näheres Recht zu solchen Handlungen stösst. Nach dieser
Ansicht ist also die Pflicht erst dann vollständig erfülll, wenn
auf der ganzen Erde die Herrschaft des Rechtes ausgebreitet ist;
und es muss das unablässige Anliegen des Staats sein, den jetzi-
gen, allerdings noch sehr unvollkommen, Zustand jenem Ziele zu
nähern.
Die Ausführung dieses Grundgedankens erfordert denn aber
eine Reihe von Handlungen, und zwar, wenigstens theilweise,
verschieden je nachdem einer der möglichen Fälle vorliegt. Sol-
cher sind aber, wie oben S. 505 hereits bei. anderer Gelegenheit
bemerkt ist, vier. Einmal die Verlelzung der Rechtsordnung
eines andern Staats durch diesseitige Unterlhanen und von dies-
seiligem Gebiete aus. Zweitens, Rechisverletzungen, begangen
im fremden Gebiete von diesseiligen Unterthanen, welche nach
der That und unabgeurlheilt in die Heımath zurückgekehrt sind.
Drittens, Vergehen, in fremdem Gebiete begangen von Angehö-
rigen desselben, welche nach der Handlung und ungestraft sich
in den diesseitigen Staat begaben. Endlich viertens, Vergehen
gegen einen fremden Staat, begangen von Angehörigen eines
dritten Staates, welche seitdem in diesseitige Gewalt gekommen sind.
a) Der erste Fall.
Vor Allem muss natürlich dafür gesorgt werden, dass keiner
Derjenigen , welche thatsächlich und rechtlich unter den Ge-
setzen und der Botmässigkeit des Staates stehen,
die Rechte anderer Staaten und ihrer Angehörigen vom dies-