548 Völkerrechtliche Lehre
der streng logischen Folgerichtigkeit, und um den Preis eines gele-
genllichen Verfallens in Forderungen des selbstsüchtigen Systemes,.
Jedoch kann hier wieder ein grosser Unterschied nicht über-
sehen- werden. Es bedarf nämlich nicht eben langer Untersuchun-
gen, um herauszufinden, dass es vorzüglich die Verletzungen des
öffentlichen Rechtes anderer Staaten sind, bei welchen diese
Nachtheile hervortreten, während die Privat- (gemeine) Ver-
brechen nur in weit geringerem Maasse zu denselben führen ").
Bei diesen letzteren ist nämlich vor Allem von einer bedenk-
lichen Entscheidung über zweifelhafte fremde Zustände gar nicht
die Rede. Wie immer diese sein mögen, so kann doch Mord,
Diebstahl und Nothzucht in solchem Lande nicht als erlaubt be-
trachtet werden; und es wird über Rechtmässigkeit oder Unrecht-
mässigkeit der fremden Regierung kein Urtheil gefällt, wenn man
diesseits zur Bestrafung von dergleichen Handlungen beiträgt.
Mit ein wenig Vorsicht in den Formen lässt sich jede Verlegen-
heit vermeiden. — Eben so sind hier unerfüllbare Anmulhungen
oder eine grausame und ungerechte Härte im Falle einer Aus-
lieferung kaum zu befürchten, wenn nur die Thatsache wirklich
feststeht, dass es sich nur von einem gemeinen Verbrechen han-
delt. Die Aufforderung zur gemeinschafllichen Verfolgung eines
gemeinen Verbrechers kann weder die Ehre noch den Vortheil
des diesseitigen Staates bedrohen. Bei einem Verfahren gegen
einen Ausgelieferten dieser Art aber ist eine böse Absicht oder
gesetzwidrige Einmischung in den Gang der Rechtspflege von
Seiten der fremden Regierung nicht leicht zu besorgen, wie sie
1) Es entgeht mir nicht, dass nicht nur die neuere Strafrechts-Wissen-
schaft begrifflich viel einzuwenden hat gegen die Eintheilung der Verbrechen
in private und öffentliche, sondern dass auch praktische Gründe gegen die
Aufnahme der Eintheilung in neue Strafgesetzbücher vorgebracht werden.
Ich lasse diess Alles, wie billig, an seinen Ort gestellt; allein wenn ihm
auch so ist, so ist damit natürlich die Zweckmässigkeit oder gar Nothwen-
digkeit einer ähnlichen Eintheilung zu völkerrechtlichen Zwecken nicht be-
rührt, noch weniger widerlegt; sondern es folgt höchstens daraus, dass man
sich nicht begnügen darf, nur im Allgemeinen jene Unterscheidung in Ver-
trägen u. 8. w. zu machen, sondern dass vielmehr die einzelnen Arten von Ver-
gehen, welche so oder anders behandelt werden sollen, namentlich und ein-
seln aufzuzählen sind.