vom Asyle. 559
lichen Schaden anrichten, als die Verletzung eines höheren Rechtes.
Ferner ist die Gränzlinie nicht in der Natur der Sache begründet,
und wird daher, als willkührlich gezogen, nicht selten zu Wun-
derlichkeiten und vielleicht Willkührlichkeiten führen. Allein
vorerst erscheint es kaum als passend, einen fremden Staat wegen
einer unbedeutenden Sache zu bemühen. Sodann würden bei
kleineren Vergehen gar leicht die Folgen einer Auslieferung weit
über Billigkeit und Verhältniss hinausgehen. Wegen eines nach
Absicht und Gegenstand kaum nennenswerthen Vergehens könnten
ehrenhafte Menschen eine beschimpfende Maassregel zu befahren
haben, eine neu gegründete Ansiedlung unterbrochen sehen. End-
lich würde der Schutz, welchen die Rücksichten der Menschlich-
keit und Zweckmässigkeit politischen Flüchtlingen angedeihen
lassen wollen, gar oft vereitelt werden. Wie leicht wäre es
nämlich, einen solchen irgend einer kleinen Gesetzesüberlretung
zu bezüchtigen, um ihn auf solche Weise wieder in die Hände
zu bekommen !). — Zwei Bemerkungen werden übrigens dabei
an der Stelle sein. Zunächst erscheint es räthlich, die Fälle, in
welchen Auslieferung stattfinden soll, durch Aufzählung der ein-
zelnen Verbrechensgaltungen, nicht aber durch das Strafmaass
oder durch die allgemeinen Eintheilungen der Gesetzbücher oder
1) Nur Wenige wohl dürften geneigt sein, sich dem von Berner,
a. a. Ö., S. 127, für die Straflosigkeit der im Auslande begangenen klei-
neren Uebertretungen angeführten Grunde anzuschliessen. Ihm zu Folge sind
die hier in Frage stehenden Vergehen „rein localer“ Art, welche somit
auch nur „am Orte der That verletzt werden können.* Hiergegen ist denn
nun aber vor Allem zu bemerken, dass nichts irriger sein kann, als geringe
Vergehen für gleichbedeutend zu nehmen mit Geboten von örtlicher Bezie-
hung. Gering ist ein Vergehen, wenn das verletzte Recht an sich ein un-
bedeutendes, oder die Schuld bei der Handlung eine leichte ist. Nun kann
aber einer Seits ein unbedeutendes Recht ein sehr allgemeines und weit ver-
breitetes sein; anderer Seits ist es gar wohl möglich, dass bei Geboten oder
Verboten rein örtlicher Art die schwersten und mit den höchsten Strafen
bedrohten Uebertretungen vorkommen können. Sodann aber ist nicht ein-
zusehen, warum nicht auch bei kleineren Vergehen die vom Verf. angenom-
mene Persönlichkeit des Strafrechtes sollte stattfinden können. — Die Sache
ist sehr einfach. Die Abrügung solcher kleiner Rechtsverletzungen ist von
keiner Bedeutung für die Erhaltung der Rechtsordnung im Grossen und Gan-
zen, und desshalb tritt keine Hülfe von Staat zu Staat dabei ein.