vom Asyle. 561
beugenden Vorkehrungen eines Staates zu Gunsten fremder Ge-
setze sich auch auf die Abhaltung diesseitiger Angehöriger von
Schleichhandel in den fremden Staat, überhaupt auf den Schutz
seiner Abgabengesetze, zu erstrecken haben ? — Eine Ver-
neinung der ersten Frage wäre also eine Ausnahme von dem
Grundsatze der Nichtauslieferung; eine Verneinung der andern
aber würde eine bedeutende Lücke in dem Systeme der Abhal-
tung der eigenen Angehörigen von Verletzung Fremder zur Folge
haben.
Was nun den ersten Fall betrifft, so ist zwar bekannt, dass
viele Staaten gerade die Auslieferung flüchtiger Heerpflich-
tiger zum Gegenstande von besonderen Verträgen gemacht
haben, und zwar selbst solche darunter, welche sonst keine Ver-
pflichtungen dieser Art eingehen; auch lässt sich etwa zur Recht-
fertigung einer Ausnahme sagen, dass ein ungehorsamer Kriegs-
dienstpflichtiger nicht blos eine öffentliche Pflicht verletzt, sondern
auch einem seiner Mitbürger, welcher jetzt für ihn eintreten muss,
einen schweren Schaden unrechtlicher Weise zufügt; so wie, dass
wenigstens zuweilen Diebstahl öffentlichen Eigenthumes mit der
Fahnenflucht verbunden ist: dennoch muss man sich gegen die
Verlassung des Grundsatzes erklären. Nicht nur würde man
doch selbst jetzt in einzelnen Fällen mithelfen zu barbarischen
Strafen; sondern es könnte überhaupt eine grundsätzliche Aus-
lieferung der Kriegsdienstpflichtigen leicht missbraucht werden
zur Umgehung der ganzen Nichtauslieferung bei Staatsvergehen.
Es bedürfte nämlich von Seiten einer beliebigen Regierung nur
einer scheinbaren Ausdehnung der Dienstpflicht auf die Männer
aller Alter und Verhältnisse, um jeden politischen Flüchtling als
Ausreisser in Anspruch nehmen zu können. Und gerade in den
schlimmsten Fällen dürfte man wohl solchen Versuchen entgegen-
sehen. Von einer höhern Nothwendigkeit der Ausnahmen aber
kann nicht die Rede sein, da die Erfahrung genügend zeigt, dass
Staaten, welche die Kriegsdienstpflicht nicht auf eine harte Weise
übertreiben, und welche den Soldaten gerecht und menschlich be-
handeln, keine ihre Vertheidigungskraft beeinträchtigende Fahnen-
flucht zu fürchten haben.
Dagegen ist allerdings die andere Ausnahme zu vertheidigen,